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"Diese Solidarität ist sehr wichtig für uns“"
Gespräch mit Aleida Guevara über die jüngsten Unwetterkatastrophen auf Kuba, ihren Deutschlandbesuch
und Erinnerungen an ihren Vater
Kuba wurde vor kurzem vom Hurrikan "Gustav" heimgesucht. Wie erlebten Sie den Sturm?
Es gab große Schäden, vor allem auf der Isla de la Juventud (Insel der Jugend) und in zwei Städten
der Provinz Pinar del Rio. Der Hurrikan hat sehr viele Häuser, Plantagen und Stromleitungen zerstört,
zum Glück ist aber kein Mensch dabei ums Leben gekommen. Wir arbeiten jetzt sehr intensiv daran, die
Schäden zu beseitigen. Sehr schön ist es, daß viele Frauen und Männer aus anderen Provinzen, die
von dem Unwetter verschont geblieben sind, jetzt in die betroffenen Gebiete gereist sind, um beim
Wiederaufbau zu helfen.
Wie haben Sie den Hurrikan persönlich erlebt?
In Havanna, wo ich lebe, hat der Sturm natürlich auch getobt. In meinem Stadteil wurden zahlreiche
Bäume entwurzelt, glücklicherweise ist aber dabei niemand verletzt worden. Es wurden auch viele
Strom- und Telefonleitungen beschädigt, die schlimmsten Zerstörungen sind aber sehr schnell repariert
worden. In einigen Stadtteilen Havannas hat es mit den Reparaturarbeiten allerdings etwas länger
gedauert.
Sie sind vom 10. Bis 29. September zu einem Besuch in Deutschland – nicht zum ersten Mal
übrigens. Welchen Eindruck hatten Sie bisher von diesem Land?
Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Natürlich habe ich vor allem Kontakt zu
Solidaritätsgruppen und Freundschaftsgesellschaften gehabt. Diese Organisationen stehen dem
sozialistischen Kuba sehr nahe, sie sind so etwas wie Familie für uns. Ich habe großartige Menschen
kennengelernt, die ideenreich und mit viel Einsatz sich für die kubanische Sache einsetzen – diese
Solidarität, ich möchte fast sagen Liebe, ist sehr wichtig für uns. Ein wenig habe ich Deutschland
also kennengelernt. Den Gruppen, die mich einladen, stehe ich dann natürlich zur Verfügung und
konzentriere mich dann in meinen Vorträgen auch auf die Themen, die sie interessieren.
Während Ihres Deutschland-Besuchs treten Sie auch in größeren Veranstaltungen auf – am
18. September in Köln und am 19. In Berlin. Welchen Akzent wollen Sie in Ihren Vorträgen setzen?
Ich will darüber reden, wie notwendig die Bewahrung des Friedens für die Entwicklung der Welt ist.
Und darüber hinaus, daß es dazu nötig ist, den gegenseitigen Respekt unter den Völkern zu bewahren.
Kein Staat darf sich die Freiheit herausnehmen, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen
Volkes einzumischen. Jedes Volk muß das Recht haben, seine internen Probleme selbst zu lösen, ohne
die Einmischung aus dem Ausland.
Am 20. September werden Sie in Berlin bei der Auftaktkundgebung der bundesweiten Demonstration
gegen den Afghanistan-Krieg sprechen ...
Uns Kubanerinnen und Kubanern tut es sehr weh, miterleben zu müssen, wie im Irak und in Afghanistan
von den Besatzungsmächten Frauen, Kinder und alte Menschen umgebracht werden. Die ganze Welt wäre
viel glücklicher, wenn diese Besatzer endgültig abziehen würden. Natürlich werde ich auch darauf
hinweisen, daß unser Kuba, das ja vor allem von den USA bedroht wird, ein sehr gut organisiertes
Land ist. Wir würden unsere Souveränität mit aller Energie verteidigen. Quadratmeter für Quadratmeter.
In den USA steht die Wahl eines neuen Präsidenten an. Mit welchem der beiden Kandidaten
könnte Kuba am besten leben – mit dem Republikaner John McCaine oder mit dem Demokraten Barack Obama?
Es gibt ja nur diese beiden Kandidaten – es steht leider kein besserer zur Wahl. Aber gesetzt
den Fall, ich könnte in den USA wählen, würde ich selbstverständlich Obama meine Stimme geben.
Nicht wegen uns Kubanerinnen und Kubanern, sondern deswegen, weil die Menschen in den USA unter
seiner Präsidentschaft immerhin eine Chance hätten, daß sich etwas zu ihren Gunsten ändert.
Wie die USA mit Kuba umgehen, ist natürlich ein sehr komplexes thema. Die USA können es einfach
nicht hinnehmen, daß ein kleines Land wie unseres erstens ein anderes Gesellschaftssystem aufgebaut
hat und zweitens in der Lage ist, Aufgaben zu lösen, die sie selbst nie bewältigen können.
Beispielsweise ein Gesundheitswesen für das ganze Volk aufzubauen.
Sie sind nicht nur Kubanerin, sondern haben auch noch einen Helden des 20. Jahrhunderts zum
Vater: Ernesto "Che" Guevara. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?
Eigentlich wenige, denn ich war noch sehr klein, als er aus Kuba wegging. Aber ich habe darüber
einen kleinen Dokumentarfilm gemacht, in dem ich ein wenig über meine Erinnerungen mitteile. Das
wichtigste ist für mich zu wissen, daß mein Vater mich sehr geliebt hat.
Ernesto "Che" Guevara wäre in diesem Jahr 80 geworden. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht,
was er heute machen würde, wenn er noch lebte?
Eine solche Frage ist natürlich sehr schwer zu beantworten, ich versuche es mal: Wenn er Bolivien
überlebt hätte, hätte er sicher alles dafür getan, um die Revolution in seinem Vaterland Argentinien
zu fördern. Das hätte die Entwicklung Lateinamerikas schon seit 40 Jahren enorm beeinflußt.
Sie kennen seinen Nachlaß, 2008 wurde "Marx y Engels. Una síntesis biográfica" herausgegeben,
eine Zusammenfassung der Gedanken von Karl Marx und Freidrich Engels. Gibt es noch Aufzeichnungen
von ihm, die Möglicherweise noch veröffentlicht werden?
Es gibt einige Schriften, es sind aber wenige. Bisher haben wir aus seinem Nachlaß elf Bücher
veröffentlicht, das eben erwähnte ist eins der letzten.
Interview: Peter Wolter
Junge Welt, 13. September 2008
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