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USA-Kurs schweißt Kubaner zusammen
Washington schont den Terroristen Posada und erregt damit Empörung und Widerstand
Das Departement für Innere Sicherheit der USA wird »im Rahmen einer administrativen Revision« in
seiner Prüfung fortfahren, was mit Luis Posada Carriles geschehen soll.
Der lateinamerikanische Terrorist und seine Anwälte hatten damit gerechnet, dass er diese Woche gegen
Kaution auf freien Fuß gesetzt werden würde. Denn seine Sympathisanten, Komplizen und
ehemaligen Arbeitgeber im Bush-Clan, in der Anti-Castro-Industrie Miamis und der CIA hatten ja immerhin
erreicht, dass der Terrorist nicht wegen seiner Gräueltaten vor Gericht gestellt werden sollte,
sondern wegen des Bagatelldelikts der »illegalen Einreise«. Und wenn in solchen Fällen nicht
innerhalb von 90 Tagen Anklage erhoben wird, kann der Verdächtige aus dem Gefängnis entlassen
werden.
Aber Posada ist nicht irgendein Verdächtiger, er ist ein Auftragskiller, der zahlreiche Menschen auf
dem Gewissen hat, ein Terrorist. Wenn eine Regierung einem solchen Unterschlupf gewährt, ist diese
Regierung laut George W. Bush ebenfalls terroristisch. Folglich ist es besser, ihn loszuwerden. Aber wie?
Denn Posada weiß schließlich noch viel mehr, als er bisher dann und wann durchblicken
ließ bzw. ausplauderte. Seit 1961 hat er für die CIA gegen Kuba gearbeitet, auch noch, als
Bush sen. deren Chef war. Und Bush jun. steckt in diesen Wochen mit seinen Leuten innen- wie
außenpolitisch tiefer im Schlamassel als je zuvor. Da könnte ein »singender« Posada verheerend
wirken.
Venezuela, wo er 1976 einen Flugzeuganschlag einfädelte, hat Washington ersucht, den Mann
auszuliefern. Bei dem Bombenattentat auf ein kubanisches Passagierflugzeug waren 73 Menschen getötet
worden. Die USA lehnten das Auslieferungsersuchen ab. Kuba hatte, der Zurückweisung sicher, es gar
nicht erst probiert. Wohin also mit ihm? Bislang wollte ihn niemand. Doch am vergangenen Dienstag, als
1,4 Millionen Habañeros gegen die antikubanische Politik Washingtons demonstrierten, teilte die
USA-Einwanderungsbehörde in einem kurzen Kommuniqué mit, man sei »in dem Bemühen
vorangekommen, Herrn Posada aus den USA zu entfernen«. Eine Entscheidung könne binnen einer Woche
fallen.
Die Kubaner sind empört. Posada und Dutzende andere antikubanische Topterroristen laufen in den USA
frei herum oder werden mit Glacéhandschuhen angefasst, während die Miami-Five (die einige
Terrororganisationen – und nur diese – unterwandert hatten) in einem, wie auch das Appellationsgericht in
Atlanta einräumte, zusammengeschobenen Prozess zu barbarischen Strafen verurteilt wurden. Seit drei
Jahren bereitet Washington in aller Offenheit den Umsturz in Kuba vor. Zigmillionen für die so
genannten Dissidenten, ebenso viele für konterrevolutionäre elektronische Propaganda.
Die kubanische Filiale der CIA, die Interessenvertretung der USA in Havanna, ist unter Bush zu einem Hort
der Provokation ausgebaut worden: Versammlungsort von Konterrevolutionären, Ort der Gründung
einer liberalen Partei. Und jetzt sind an dem Gebäude am Malecon im fünften der sechs Stockwerke
meterhohe Buchstaben angebracht worden, die von 18 bis 24 Uhr Botschaften ausstrahlen, zum Beispiel Worte
von Martin Luther King, die hier allerdings sowieso jeder kennt, und Auszüge aus der
UNO-Menschenrechtsdeklaration.
Auch die 1994 unterzeichneten Emigrationsabkommen, die eine geregelte Ausreise von jährlich 20 000
Kubanern anstreben, werden in Washington angefochten. Sollten sie wie auch immer außer Kraft gesetzt
werden, hätte das gewiss fatale Konsequenzen. Denn, das hatte USA-Vizeaußenminister Roger
Noriega angedroht, eine unkontrollierte Welle von kubanischen Bootsflüchtlingen, die ja zu erwarten
wäre, werde man mit einer Seeblockade beantworten. Fidel Castro am letzten Dienstag: Die
USA-Regierung suche mit aller Gewalt Vorwände, um die »aktuellen minimalen diplomatischen
Beziehungen«, die am 30. Mai 1977 unter Präsident James Carter zu Stande kamen, abzubrechen. Er wies
in diesem Zusammenhang auf einen Artikel in der britischen »Financial Times« hin, wonach vom State
Department Kuba in die geheime Liste der Länder, die nach einer militärischen Intervention
wieder aufgebaut werden müssten, aufgenommen wurde.
Kuba hat aus der Erfahrung gelernt, dass es aus dem Norden alles erwarten muss. Etwas Gutes ist kaum
dabei. Aber es fühlt sich gewappnet. Die arrogante Politik Washingtons gegenüber der kubanischen
Revolution vereint die Kubaner fester, als es sich Bush träumen lässt. Das zeigte die
jüngste Demonstration.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 30.01.2006
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