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»Literatur für das Volk, nicht für Eliten«
Rekordandrang auf der XV. Internationalen Buchmesse in Havanna Ein Gespräch mit Maria Mederos, Generaldirektorin der 15. Internationalen Buchmesse in Havanna und Präsidentin der kubanischen »Kammer des Buches«


Was ist Ihnen das wichtigste Anliegen der XV. Internationalen Buchmesse in Havanna?

Das bedeutendste Ziel dieser Buchmesse ist es, keine Präsentation für Eliten, Literaten oder Literaturkenner zu veranstalten, sondern eine Messe für alle Kubaner, für das kubanische Volk. Deshalb ist dieses Ereignis auch nicht auf Havanna beschränkt. Am Sonntag schließen hier die Messetore auf der Festungsanlage San Carlos de la Cabaña. Bis zum 5. März werden dann die Leute in 35 weiteren kubanischen Städten Gelegenheit haben, sich die Bücher anzusehen, zu kaufen, Buchpräsentationen und Veranstaltungen zu politischen und kulturellen Themen zu besuchen. Ein zweiter sehr wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit auch für junge, noch unbekannte Autoren, hier auszustellen und sich einen Namen zu machen.

Wie ist die internationale Resonanz auf Ihre Messe?

Wir haben Gäste aus über 30 Ländern. Allein aus Europa sind etwa 200 Verlage vertreten. Sie wissen ja, daß es seit 2003 den Kulturboykott der europäischen Union gibt, dem sich auch die BRD angeschlossen hat. Die große europäische Beteiligung an der Buchmesse ist ein Zeichen dafür, daß es auch in Europa starke Kräfte gibt, die den Kulturboykott mißbilligen und bei denen die kubanische Buchmesse ein hohes Ansehen genießt.

Wie würden Sie die Entwicklung charakterisieren, die die Buchmesse seit 1982, als die erste stattfand, genommen hat?

Da ist zunächst ein enormes quantitatives Wachstum zu vermerken. Sowohl die Exposition ist entschieden größer geworden als auch der Andrang des Publikums. Aber auch das Interesse der Literaten, Intellektuellen und Künstler an der Buchmesse ist gewaltig gestiegen. Vor allem aber hat sich die politische Dimension verändert. Es geht immer entschiedener um die Verteidigung der Interessen der Menschheit gegen den Imperialismus. Bücher sind dafür nicht genug, aber ohne Bücher ist diese Verteidigung nicht möglich.

Hat die diesjährige Buchmesse Ihre Erwartungen erfüllt?

Ja, wir sind sehr zufrieden. Es ist eine Messe für die Menschen, und wenn sie sie gerne besuchen, dann hat sich unsere Arbeit gelohnt. Am ersten Tag kamen 92.000 Besucher, am zweiten sogar über 100.000. Das übertrifft alle Erwartungen. In den vergangenen Jahren hatten wir nie mehr als 80.000 Besucher am Tag.

Wie entwickelte sich das Verlagswesen in Kuba seit der Revolution?

Es gibt ein Wort des Dichters Alejo Carpentier, der auf die Revolution bezogen sagte, die Zeit der Einsamkeit sei vorbei, es habe die Zeit der Solidarität begonnen. Vor der Revolution war Literatur eine Sache der Eliten. Das galt für das Lesen und Schreiben gleichermaßen. Die Revolution brachte die Alphabetisierung der Massen und damit Leser in ungeahnten Größenordnungen. Sie brachte aber auch neue Autoren hervor. Das erste Buch, das nach der Revolution verlegt wurde, war Miguel Cervantes’ »Don Quijote«. Es wurde in riesiger Auflage gedruckt und an die Bibliotheken, Universitäten und Schulen ausgeliefert. Mit Hilfe der sozialistischen Länder wurden 1989 50 Millionen Exemplare von 2.200 Titeln hergestellt. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Weltlagers brach in Kuba nicht nur eine Wirtschaftskrise aus, sondern auch die Buchproduktion ein. Es fehlte an Papier, und auch die neuen Drucktechnologien waren wegen der US-amerikanischen Wirtschaftsblockade unerschwinglich. So konnten 1992 nur noch rund 70.000 Exemplare von 950 Titeln gedruckt werden. Seit dem Jahre 2000 gibt es jedoch wieder einen deutlichen Aufschwung. Heute können wir jährlich bereits 70 Millionen Exemplare produzieren, 2003 waren es sogar über 90 Millionen. Das ist möglich geworden, weil inzwischen jede der 14 Provinzen eine eigene Druckerei erhalten hat.

junge Welt Interview: Ulrich Schwemin
Junge Welt, 12.02.2006









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