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"Ich bin unbedingt dafür, dass es in Kuba mehr Freiheiten geben sollte"
Noam Chomsky in einem Interview über das US-Wirtschaftsembargo gegen Kuba und die "Cuban Five"


ND: Sehen Sie angesichts der rapiden Rechtsentwicklung der USA überhaupt noch eine Chance für ein gerechtes Verfahren für die »Cuban Five«?
Chomsky: Ich kann Ihrer Prämisse, wonach sich das ganze Land nach ganz rechts bewegt hat, nicht zustimmen. Es stimmt zwar, dass sich die amerikanischen Medien beharrlich weigern, über die »Cuban Five« zu berichten. Ebenso ist richtig, dass neben den Medien auch die Regierung und die beiden Großparteien nach rechtsaußen driften. Aber das heißt nicht, dass deswegen ein faires Verfahren auszuschließen wäre. Denn da ist ein Faktor, der gerne ausgeblendet wird: die öffentliche Meinung, der Mensch auf der Straße. Zwischen der öffentlichen Meinung einerseits und Regierung, Medien und Parteien andererseits geht die Kluft seit vielen Jahren auseinander. Letztere befinden sich, egal um welches politisches Thema es geht, weit rechts von der Öffentlichkeit. Ein faires Verfahren in Miami – wahrscheinlich nein, im Rest der USA aber durchaus möglich. Es liegt an Leuten wie uns, die Mainstream-Medien zur Berichterstattung zu zwingen. Wenn sich ein Teil der Öffentichkeit aktiv einmischt, dann ändern sich die Dinge. Wir haben das Privileg, im freiesten Land der Welt zu leben, das heißt, wir haben mehr Informationen über die Taten und Planungen unserer Regierung als irgendein anderes Land dieser Erde. Leider bewegen wir uns aber in einer schwer indoktrinierten Gesellschaft.

Wie ist die Extremhaltung der USA-Regierungen, egal ob von Demokraten oder Republikanern, gegen Kuba zu erklären? Liegt es daran, dass sie in Florida auf Stimmenfang gehen müssen?
Die Exil-Kubaner halte ich für einen untergeordneten Faktor. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass es sich nicht nur um einen terroristischen Krieg, sondern auch um das extremste Wirtschaftsembargo handelt, das je verhängt wurde. Schon wenige Monate nach der Selbstbefreiung Kubas im Januar 1959 beschloß die Eisenhower-Regierung, die Regierung in Havanna zu stürzen, mit Sabotageakten, aber auch mit mit einem Embargo. Der offen erklärte Grund ist die Bestrafung der Kubanerinnen und Kubaner. »Sie sind für die Regierung verantwortlich, deswegen mussten sie leiden, um sie zum Sturz der Regierung zu veranlassen«, lautete die Begründung aus dem USA-Außenministerium. Die fehlgeschlagene Invasion in der Schweinebucht und der sich anschließende Terrorkrieg unter den liberalen Kennedys, dieser extreme Fanatismus gegen Kuba, hatte laut Dokumenten aus dieser Zeit nichts mit der Sowjetunion und Antikommunismus, sondern mit Kubas »erfolgreichem Widerstreben gegen amerikanische Politik, die 150 Jahre zurückreicht«, zu tun, hieß es ganz offiziell.
Kuba stellte laut internen Berichten darüber hinaus das Problem eines »Virus« dar, um Henry Kissinger zu zitieren. Gemeint ist eine erfolgreiche unabhängige Entwicklung, die sich in der Region ausbreiten könnte. Dieser Terrorkrieg der USA gegen Kuba ist auch heute höchst aktuell.

Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen?
Mitte Februar berichtete die Nachrichtenagentur AP, dass Mexiko gegen eine amerikanische Hotelkette in Mexiko klagen würde. Denn die USA-Regierung hatte die Hotelkette veranlasst, eine kubanische Delegation aus dem Hotel zu werfen – was wiederum gegen mexikanisches Recht verstößt. Die Kubaner hatten sich mit texanischen Ölbossen treffen wollen, die sich für die Ausbeutung von Ölquellen vor der kubanischen Küste interessierten. Washington preschte also vor und sagte: Nein, wir müssen Kuba erwürgen.

Wer ordnete dies an?
In diesem Fall war es eine Abteilung des USA-Finanzministeriums namens Office of Foreign Assets Control, OFAC. Ihm obliegt es, verdächtige Geldtransfers weltweit zu untersuchen. Was das OFAC so treibt, wurde in den USA-Massenmedien nicht genau aufgeführt. Aber es gibt von ihm interessante Aussagen vor dem USA-Kongress. Im jüngsten Bericht heißt es beispielsweise, dass das OFAC 128 Angestellte hat, die dubiose Finanztransfers untersuchen. Vier sind mit Osama bin Laden, Al-Qaida und Saddam Hussein betraut. Und geschlagene 24 befassen sich damit, ob irgendjemand das Embargo gegen Kuba verletzt. Das sagt einiges über die »Antiterror«-Prioritäten der Bush-Regierung.

Was hält die USA-Bevölkerung vom Embargo gegen Kuba?
Die Mehrzahl weiß nicht einmal, dass es existiert. Das heißt, dass das Embargo fortexistieren wird.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Kuba verletze die Menschenrechte?
Ich bin unbedingt dafür, dass es in Kuba mehr Freiheiten geben sollte. Diese Forderung konnte ich auf Radio Havanna unzensiert stellen. Die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen auf kubanischem Territorium erfolgen in der Tat in Guantanamo. Im lateinamerikanischen Vergleich steht Kuba laut Amnesty International und Human Rights Watch, den beiden weltweit größten Menschenrechtsorganisationen, auf der Liste der Verletzer von Menschenrechten ganz weit unten. Was die Rechte von Frauen, das Recht auf Nahrung, auf Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit von Gewerkschaften und so weiter angeht, steht Kuba ziemlich weit oben.


Neues Deutschalnd Neues Deutschland 13.03.2006








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