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ALBA statt Ausbeutung - Wirtschaftsbündnis zwischen Bolivien, Kuba, Venezuela:
Die bolivarische Alternative zum Freihandel nimmt Gestalt an
Die Plünderung ist vorbei«, erklärte Boliviens Präsident Evo Morales am 1. Mai, als er der
Öffentlichkeit in La Paz seinen Neun-Punkte-Plan zur Renationalisierung der Öl- und Gasindustrie
präsentierte. Damit hat Morales 100 Tage nach seinem Amtsantritt sein zentrales Wahlversprechen
eingelöst. Da Bolivien über die zweitgrößten Gasreserven in Lateinamerika
verfügt, soll dies allein in diesem Jahr zusätzliche Einnahmen von über 300 Millionen
US-Dollar in die Staatskasse spülen.
Zwar werden die westlichen Konzerne nicht müde, darauf zu verweisen, daß Bolivien ohne externe
Hilfe nicht in der Lage sein wird, die Gasvorkommen zu erschließen, da dem Land die dazu nötige
Technologie und das Kapital fehlen. Doch Morales ist nicht allein: Kurz vor der Präsentation seines
Plans zur Renationalisierung traf er mit den Präsidenten von Venezuela und Kuba zusammen, um die
»Vereinbarung zur Errichtung der Bolivarischen Alternative für die Völker unseres Amerikas«
(ALBA) zu unterzeichnen.
Im Gegensatz zu Freihandelsabkommen, die von der USA und der EU vorangetrieben werden und in denen die
Interessen transnationaler Konzerne im Vordergrund stehen, bemüht man sich mit ALBA um solidarische
Handelsbeziehungen. Ziel ist der Abbau von Ungleichgewichten innerhalb und zwischen den beteiligten
Ländern, die Bekämpfung von Armut sowie die Verbesserung des Gesundheits- und Bildungswesens im
Interesse der armen Bevölkerungsmehrheit.
Von Chávez als wichtiges Projekt für die lateinamerikanische Integration vorangetrieben,
begründete ALBA zunächst eine strategische Partnerschaft zwischen Venezuela und Kuba. Mit dem
Beitritt Boliviens zu ALBA wurde die Kooperation nun um verschiedene Aspekte erweitert: Neben einer
weitreichenden Zusammenarbeit im Energie- und Bergbaubereich wollen Venezuela und Kuba der Regierung
Boliviens bei der Einrichtung einer nationalen Fluggesellschaft helfen, für die bolivianische
Forderung nach bedingungsloser Schuldenstreichung eintreten, das Alphabetisierungsprogramm und die
Verbesserung des Gesundheitswesens unterstützen sowie verstärkt bolivianische Exportprodukte wie
Sojabohnen kaufen und dadurch die negativen Folgen jener Freihandelsabkommen abfedern, die die
Nachbarländer Boliviens mit den USA geschlossen haben.
Zwar sind die westlichen Medien bemüht, die Bedeutung von ALBA herunterzuspielen und auf symbolische
Politik zu reduzieren. Daß die Ausstrahlungskraft des alternativen Integrationsprojekts weit
über Venezuela, Bolivien und Kuba hinausreicht, hat man jedoch auch in den USA und Europa gemerkt.
Dort fürchtet man vor allem den Erfolg der von Chávez initiierten Projekte »Telesur«,
»Petrosur« oder »Petrocaribe«, an denen über die ALBA-Staaten hinaus auch Brasilien, Argentinien und
Uruguay bzw. im Fall von Petrocaribe 14 Staaten der Karibik beteiligt sind. Schließlich wird hier
die Hegemonie der reichen Industrieländer auf zentralen Feldern– Medien sowie Energieversorgung–
angegriffen.
Daß eine Mehrheit der Bevölkerung in Lateinamerika zu eigenständiger und sozialerer
Entwicklung entschlossen ist, zeigt die breite Unterstützung, die linken Kandidaten in den
zurückliegenden Wahlen zuteil wurde. Mit der Etablierung neuer linksgerichteter Regierungen wird es
für die USA– und auch die EU – nun deutlich schwieriger, ihre alte Handelspolitik mit Lateinamerika
fortzusetzen, die auf der Ausplünderung von dessen Ressourcen zunutzen der eigenen Großkonzerne
und der korrupten Eliten vor Ort beruhte. Beim Lateinamerika-Gipfel in Wien steht die EU nun vor einem
Problem: Geplant war die Unterzeichnung eines Abkommens mit dem lateinamerikanischen Wirtschaftsverbund
Mercosur, das darauf abzielt, bis 2010 die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen. Dieses
Vorhaben ist jedoch weiter in die Ferne gerückt, da in der Mehrzahl der zehn Länder, die dem
Mercosur angehören oder mit ihm assoziiert sind, mittlerweile linke Regierungen an der Macht sind.
Diese agieren immer ablehnender gegenüber Plänen, ihre Handelsbeziehungen einseitig zugunsten
der Industrienationen auszurichten. Denn daß in erster Linie europäische Konzerne von einem
Abkommen profitieren werden, welches den Handel mit Waren und Dienstleistungen aller Art »liberalisieren«,
intellektuelles Eigentum schützen und das öffentliche Beschaffungswesen für Wettbewerber
aus dem Ausland öffnen soll, ist auch den lateinamerikanischen Regierungen nicht verborgen geblieben.
Notwendig wäre die Schaffung neuer, fairer Beziehungen, die das Wohl der Bevölkerung in den
Mittelpunkt stellen. Ob die EU, die selbst Privatisierungen und Sozialabbau zum Credo erklärt, dazu
in der Lage ist, muß jedoch bezweifelt werden.
Junge Welt, 12.05.2006
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