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Millionen Dollar gegen Kuba
Die Regierung von George W. Bush setzt weiter auf politische Angriffe gegen Kuba. Der Washingtoner Senat
bewilligte am 6. September einen Antrag von Präsident George W. Bush auf 47 Millionen US-Dollar zur
Finanzierung von Oppositionsgruppen in Kuba. Dieser Trend steht der öffentlichen Meinung diametral
entgegen. In Meinungsumfragen äußern sich US-Bürger seit Jahren mehrheitlich für eine Normalisierung der
Beziehungen zu Kuba. In Fachkreisen ist es schon lange Konsens, daß die bisherige Politik gegenüber
Havanna versagt hat, denn objektiv betrachtet wurde keines der Ziele Washingtons erreicht. Selbst
überparteiliche Kommissionen fordern daher seit Jahren in umfangreichen Berichten eine änderung der
Politik.
In einem Interview mit der in Berlin erscheinenden tageszeitung hat Julia Sweig, die Leiterin der
Lateinamerika-Abteilung des regierungsnahen US-Think-Tanks Council for Foreign Relations, Bushs Politik
Ende Juli verrissen: »Die US-Sanktionen sind erfolglos, Kuba unterhält diplomatische und
Handelsbeziehungen zu rund 160 Ländern. Dafür haben wir keinerlei positive Einflußmöglichkeiten auf die
Insel vor unserer Haustür.« Washington gehe leider davon aus, daß in Kuba keine Politik stattfinde, so
Sweig. Dieser Glaube halte sich wegen des bestehenden Ein-Parteien-Systems. »Doch Castro und seine Garde
sind Politiker, die ihr Volk sehr gut verstehen. Sie sind meisterhaft darin, mit Erwartungen und
Stimmungen der Bevölkerung umzugehen. Daher gab es nach dem Rückzug Castros auch keine Unruhen.« Kuba
komme auch ohne den »Máximo Líder« gut klar, so Sweigs realistisches Urteil ein Jahr nach Fidel Castros
Rückzug aus der Politik.
Daß sich ein solcher Realismus auch im Weißen Haus durchsetzt, ist jedoch wenig wahrscheinlich. Dabei
spielt die Zeit für Kuba: Dessen Wirtschaft erholt sich spürbar von der schwierigen Periode nach der
Auflösung des europäischen Realsozialismus. Öl- und Gasfunde im Land verbessern die Energieversorgung
und Kuba gliedert sich stärker als zuvor in den lateinamerikanischen Markt ein. Beziehungen zu China,
Indien und anderen Staaten des Südens stützen diesen Erfolgskurs.
Anders als in den USA haben sich Kubas Politikmodelle bewährt. Die Sozial- und Umweltpolitik der
vergangenen Jahre zeigt positive Resultate. Eine Untersuchung des Global Footprint Network und des World
Wildlife Fund for Nature bestätigte Kuba vor wenigen Monaten eine nachhaltige Politik. In dem Bericht
»Living Planet Report 2006« wurden Daten von 150 Nationen zusammengestellt. Dabei wurden sowohl die
sozialen als auch die ökologischen Zustände eingeschätzt. Die Analysten orientierten sich dabei z. B. an
dem Pro-Kopf-Verbrauch von Ressourcen. Denn während Industrieländer in der Regel weit über ihre
ökologischen Verhältnisse leben – allen voran die USA –, werden in Entwicklungs- und Schwellenstaaten
oft soziale Mindeststandards nicht erreicht. Vor dem Hintergrund dieses Mißverhältnisses könne Kuba auf
beiden Seiten Erfolge vorweisen, in der Sozial- und in der Umweltpolitik.
Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Sozial- und Umweltpolitik in Kuba gegeben.
Zahlreiche Gesetze und Aktionsprogramme zielen auf eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der
Umweltverschmutzung hin. 2006 etwa begann das »Jahr der Revolution im kubanischen Energiesektor«.
Inzwischen ist durch die Verwendung effizienterer Geräte und einer modernisierten Infrastruktur eine
Energieeinsparung nachweisbar. Doch gerade diese Erfolge provozieren die Hardliner in Washington. So
könnte sich George W. Bush am Ende der letzten Amtszeit doch noch zu einer unüberlegten Reaktion gegen das
kleine Land, das die Supermacht bloßstellt, hinreißen lassen. Für Kuba bleibt nichts anderes übrig, als
weiterhin wachsam zu sein.
Edgar Göll
Neues Deutschland 25.10.2007
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