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Fast alle Staaten stützen Kuba
Freude über UNO-Resolution, Ärger über Bush
Den Hurrikan Noël hat Kuba glimpflich überstanden. Freude herrscht auch über die erneute Verurteilung
der USA-Blockade gegenüber Kuba durch die UNO-Vollversammlung und die geplante Wirtschaftskonföderation
mit Venezuela. Nur die Landwirtschaft leidet unter dem Wechsel von Dürre und sintflutartigen Regenfällen.
Die kubanischen Medien jubelten zwei Tage lang. Dabei war von vornherein eine überraschung völlig
ausgeschlossen gewesen: Die UNO-Vollversammlung verurteilte letzte Woche zum 16. Mal in Folge die
US-amerikanische Blockade.
Die USA lässt dies freilich kalt. Selbst Medikamente und Lebensmittel, für die es zeitweise Lockerungen
gab, hat Bush 2006 wieder mit schier unüberwindlichen Lieferbedingungen belegt, und selbst renommierte
ausländische Banken und Produzenten aller Art derart unter Druck gesetzt, so dass viele ihre
Geschäftsverbindung mit Kuba suspendierten.
Ex-Präsident Dwight Eisenhower, der »Erfinder« der Blockade, hatte schon 1962 kühl ihr Ziel bestimmt.
Sinngemäß: Da es auf der Insel keine erwähnenswerte Opposition zum Castro-Regime gäbe, und auch in Zukunft
keine zu erwarten sei, müssten die Kubaner durch anhaltende Mangelerscheinungen auf die Barrikaden
getrieben werden.
Seit die Blockade in den Vereinten Nationen Abstimmungsgegenstand ist, hat sie nie eine Mehrheit, eine
Befürwortermehrheit gefunden. Doch auch nie so viele Gegner wie diesmal: 184 dagegen, vier dafür (Israel,
USA, Marshallinseln und Palau) und eine Enthaltung (Mikronesien). Abwesend waren El Salvador, Albanien
und Irak.
Die Resolution rief alle Staaten, die ein Embargo gegen Kuba durchsetzen, dazu auf, dieses zu stoppen und
die Charta der Vereinten Nationen sowie Internationales Recht zur Handelsfreiheit und Schifffahrt zu
achten. Die Zahl der Gegner des Wirtschaftsembargos hat in den vergangenen Jahren stetig abgenommen. 1992
gab es nur 59 Fürsprecher für eine UNO-Resolution.
Es ist aber trotzdem eher ein moralischer Sieg der Kubaner. Erst in der vergangenen Woche stellte
Präsident Bush mit einer antikubanischen Brandrede erneut unter Beweis, dass er und seine Berater von der
kubanischen Wirklichkeit keinen Schimmer haben.
Die Kubaner zum Aufstand aufzustacheln unter anderem mit dem Versprechen, ihnen im Gegenzug Studienplätze
zur Verfügung stellen zu wollen – einem Land mit 63 Universitäten und Hochschulen und 730.000 Schülern
und Studenten – oder die Offiziere der revolutionären Streitkräfte und des Innenministeriums »danach« mit
Samthandschuhen anzufassen – logisch, dass die kubanischen Medien dies im Wortlaut wiedergaben. In Kuba
wurde das mit fassungsloser Verblüffung aufgenommen. Von den meisten Dissidenten übrigens ebenfalls.
Bushs neueste Brandrede fiel mitten in die zweite Runde der Gemeindewahlen. Fidel Castro hatte seinen
Wahlzettel per Brief abgegeben. Die Endergebnisse liegen noch nicht vor. In vier Wahlkreisen wurde am 31.
Oktober eine dritte Runde fällig, da in den beiden vorangegangenen Runden kein Kandidat das erforderliche
Quorum von 50 Prozent plus eine Stimme erreicht hatte. Die Kandidaten – zwei bis acht – werden in
Nachbarschaftsversammlungen mit bis zu 300 Wahlberechtigten vorgeschlagen. Jeder kennt also jeden. Aus
dem Kreis der geheim Gewählten für die Gemeinderäte werden dann später die Kandidaten für die
Provinzparlamente und die Hälfte der Kandidaten der Nationalversammlung (alle fünf Jahre) vorgeschlagen.
Die anderen 50 Prozent stellen die gesellschaftlichen Organisationen.
Raúl Castro meinte vor Jahren, die Prozedur sei zwar nicht der Stein der Weisen und sicherlich könne man
noch einiges verbessern, für Kuba habe sich das System bisher jedoch bewährt. Dissidenten könnten sich
zur Wahl stellen. Aber wer schlägt sie vor? Und wer wählt sie? Außerhalb Kubas, vor allem in Europa wird
ihre Rolle vollkommen überschätzt. Opposition kann man bei der Wahl ausdrücken, in dem man nicht zur Wahl
geht oder die Wahlzettel in den Kabinen ungültig macht. Die Radiosender Miamis empfehlen das immer wieder.
Laut den noch nicht rechtsgültigen Ergebnissen machten von 8.473.833 eingeschriebenen Wählern rund
870.000 von diesen Möglichkeiten Gebrauch. Das entspricht etwa dem Verhältnis bei den letzten Wahlen.
Ansonsten sind die Kubaner gespannt, was die angekündigte wirtschaftliche Konföderation Kuba-Venezuela
bringen wird. Ob es vielleicht mit Hilfe venezolanischer Fachleute zu schaffen ist, den Wohnungsbau, der
seit Verkündung des großen Programms vor zwei Jahren nicht über 60 Prozent der Planvorgaben hinauskommt,
ins richtige Gleis zu rangieren. Für die Landwirtschaft ist wieder kein deutlicher Aufschwung zu erwarten.
Nachdem eine Jahrhundertdürre weite Landesteile heimgesucht hatte, gießt es jetzt ohne Ende. An Aussaat
ist nicht zu denken und wo man schon die Saat in den Boden gebracht hatte, ist sie fortgeschwemmt worden.
Wenigstens hat der Hurrikan Noël, der in der Karibik heftig wütete und über 100 Menschenleben forderte,
in Kuba aufgrund des guten Katastrophenschutzes lediglich Sachschäden verursacht.
Leo Burghardt
Neues Deutschland 05.11.2007
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