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Adiós Washington
Die Staaten Lateinamerikas und der Karibik emanzipieren sich weiter von Washington. Zum Abschluß
ihres zweitägigen Gipfeltreffens im brasilianischen Ferienort Costa do Sauípe forderten sie
einmütig ein Ende der US-Blockade gegen Kuba. In einer am Mittwoch (Ortszeit) verabschiedeten
Erklärung der 33 lateinamerikanischen und karibischen Länder heißt es, die Regierung der
Vereinigten Staaten solle die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba aufheben und damit den
Forderungen entsprechen, die von der UN-Vollversammlung in 17 aufeinander folgenden Resolutionen
aufgestellt wurden.
»Wenn die Vereinigten Staaten die Blockade nicht aufheben, sollten wir unsere Botschafter aus Washington
abberufen«, erklärte Boliviens Präsident Evo Morales bei dem Spitzentreffen. Das wäre zwar
eine »radikale Maßnahme«, räumte der Linkspolitiker ein, aber es würde die
Solidarität der Völker der Region mit Kuba demonstrieren. Morales forderte zudem, Kuba wieder in
die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufzunehmen. Die Mitgliedschaft der revolutionären
Inselrepublik in diesem Zusammenschluß praktisch aller unabhängigen Staaten des
Doppelkontinents mit Sitz in Washington war auf Betreiben der USA im Februar 1962 »suspendiert« worden.
Damals hatte die OAS-Außenministerkonferenz in Punta del Este festlegt, der Marxismus-Leninismus, zu
dem sich Kuba bekannte, sei unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Organisation. Morales forderte nun
den amtierenden OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza auf, die damalige Resolution »in den
Müll zu werfen oder in der Toilette runterzuspülen«. Morales weiter: »Kuba muß in die OAS
zurückkehren, sonst müssen wir eine andere OAS ohne die USA machen.« Auch Mexikos Staatschef
Felipe Calderón plädierte für eine eigenständige Union ohne die nordamerikanischen
Staaten USA und Kanada.
Ohne Frage, Kuba war der heimliche Star in Costa do Sauípe. Präsident Raúl Castro
fühlte sich sichtlich wohl bei seinem ersten Gipfel außerhalb der Republik Kubas, seit er im
Februar offiziell zum Staatschef seines Landes gewählt wurde. »Kuba steht zu seiner solidarischen,
brüderlichen und uneingeschränkten Bereitschaft, mit euch im Sinne einer Union der Staaten
zusammenzuarbeiten, die José Martí als Unser Amerika bezeichnete«, sagte Raúl Castro in einer
kurzen Ansprache. In der überbrachte er auch die Grüße seines Bruders Fidel
überbrachte, der 2006 in Argentinien zum letzten Mal als Präsident Kubas an einem
internationalen Gipfeltreffen teilgenommen hatte.
Neben dem Lateinamerika-Karibik-Gipfel, bei dem zum ersten Mal alle Staaten der Region, aber keine
»Aufpasser« wie die USA oder Spanien eingeladen waren, tagte in Costa do Sauípe auch die sogenannte
Rio-Gruppe. Das Konsultativgremium, dem fast alle lateinamerikanischen Staaten angehören, nahm Kuba
als 23. Mitglied auf. Praktisch zeitgleich beschloß die Union Südamerikanischer Nationen
(Unasur) die Gründung eines Verteidigungsrates. Vorgesehen sind gemeinsame Manöver und eine
Kooperation der Rüstungsindustrie.
Die neue Souveränität gegenüber der Großmacht im Norden zeigt sich auch
symbolträchtig in einem Beschluß des wirtschaftspolitischen Zusammenschlusses Mercosur. Die
Staaten Südamerikas wollen bis zu einer Summe von 30 Millionen US-Dollar die Exporte Boliviens
aufkaufen, die bislang in die USA gegangen waren. Damit reagieren sie ausdrücklich auf die einseitige
Einschränkung des Handelsverkehrs durch die USA. US-Präsident George W. Bush hatte quasi als
Abschiedsgeschenk bisher für Bolivien geltende Vorzugsregeln aufgehoben, wodurch sich die Exporte des
südamerikanischen Landes in die Vereinigten Staaten drastisch verteuern.
André Scheer
Junge Welt, 19.12.2008
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