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Taktische Spiele in Kuba
EU setzt den Annäherungskurs gegenüber Havanna fort
Während EU-Entwicklungskommissar Louis Michel in Havanna für Kooperation wirbt, muss er sich in
Brüssel gegen Kontrahenten wehren.
Pünktlich zum Frühlingsbeginn setzt die Europäische Union auch politisch auf Tauwetter
zwischen Brüssel und Havanna. Zum dritten Mal seit Amtsantritt von Raúl Castro als Staatschef
Kubas im Februar vergangenen Jahres war der EU-Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit und
humanitäre Hilfe, Louis Michel, kürzlich in dem sozialistischen Karibikstaat zu Gast. Der
linksliberale Politiker setzte damit den Annäherungskurs fort, den die Brüssler Führung im
Juni vergangenen Jahres mit der Beendigung der EU-Sanktionen gegen Kuba eingeleitet hatte. Die
Strafmaßnahmen waren 2003 noch auf Initiative der spanischen Regierung unter Ministerpräsident
José Maria Aznar eingeführt worden.
Nun schlug Michel andere Töne an. »Es ist der Moment gekommen, um über eine Normalisierung der
Kooperation zu sprechen«, sagte er am 20. März vor Vertretern der internationalen Presse in Havanna.
Es müsse »gegenseitiges Vertrauen« entwickelt werden. Für viele überraschend bezog der
EU-Kommissar zugleich offen Position gegen den sogenannten Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Kuba. Dieses
nicht bindende Strategiepapier Brüssels war 1996 maßgeblich auf Druck der USA verabschiedet
worden. Der »Gemeinsame Standpunkt« zielt auf einen Systemwechsel in allen Bereichen der kubanischen
Gesellschaft. Es sei »notwendig«, diese gemeinsame Position fallen zu lassen, sagte Michel nun nach einem
außerplanmäßigen Treffen mit Staats- und Regierungschef Raúl Castro.
Auch die Regierung in Havanna begrüßte die neue Gesprächsbereitschaft Brüssels. Bei
dem Treffen zwischen Castro und Michel habe Konsens über die »positive Entwicklung der unlängst
wieder aufgenommenen bilateralen Zusammenarbeit« geherrscht, hieß es in einem kurzen Bericht in der
Tageszeitung »Granma«. Bei einer Expertenkonferenz hatten rund 150 Vertreter beider Seiten zuvor
mögliche Bereiche der Zusammenarbeit besprochen. Es gehe dabei um »konkrete Schritte, das
gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen«, sagte Kubas neuer Minister für Außenhandel und
ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca. Dieses Vertrauen sei in dem heutzutage herrschenden
»aggressiven internationalen Ambiente« nicht zuletzt wichtig, so Malmierca weiter, um das linksgerichtete
lateinamerikanische Staatenbündnis ALBA (Bolivarische Alternative für Amerika) als positives
Beispiel hervorzuheben. Die ALBA basiere auf »regionale Kooperation« sowie »Freundschaft und
Solidarität«.
Diese Äußerung war eine indirekte Mahnung Richtung Brüssel. Denn allen
Gesprächspartnern in Havanna war klar, dass der Annäherungskurs Michels innerhalb der Union
umstritten ist. Vor allem EU-Neumitglieder in Osteuropa drängen auf eine weitere Unterstützung
von Systemgegnern in dem Karibikstaat.
Allerdings steht die Europäische Kommission nach einem einseitigen Dialogangebot aus Havanna unter
Zugzwang. Vor wenigen Wochen kam es bei internen Beratungen deswegen zu einem Disput zwischen den 27
Mitgliedstaaten. Vor allem Schweden, Finnland und Italien sprachen sich dagegen aus, das Angebot aus
Havanna anzunehmen, bevor die EU einen geplanten Bericht zur Menschenrechtslage in Kuba
veröffentlicht hat. Auch Polen, Dänemark und Deutschland äußerten sich kritisch.
Schließlich setzte sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten durch. Ihr Argument: Es wäre ein
falsches Zeichen, das Gesprächsangebot aus Havanna nach Jahren der Funkstille abzulehnen.
An der negativen Haltung der EU gegenüber dem sozialistischen Kuba ändert das nichts. Bereits
Ende vergangenen Jahres hatte die EU-Kommission die Forderung einzelner Mitgliedstaaten nach einem
parallelen Dialog mit Dissidenten innerhalb Kubas grundsätzlich unterstützt. Es müsse nur
der richtige Zeitpunkt dafür abgewartet werden, hieß es.
Gemeinsamer Standpunkt zu Kuba
Der »Gemeinsame Standpunkt 96/697/GASP« wurde am 2. Dezember 1996 vom EU-Rat angenommen. Demnach sollen
»der Übergang zur pluralistischen Demokratie sowie zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten
in Kuba und zur nachhaltigen Verbesserung des Lebensstandards der kubanischen Bevölkerung
gefördert werden.« Weiter heißt es: »Um den friedlichen Wandel in Kuba zu erleichtern, wird die
Europäische Union den Dialog mit der kubanischen Regierung und Gesellschaft intensivieren, die
Regierung an ihre Verantwortung für die Menschenrechte erinnern und auf Reformen der kubanischen
Gesetze und die Einhaltung internationaler Übereinkünfte hinwirken. Falls erforderlich, wird sie
humanitäre Hilfe leisten sowie gezielte Maßnahmen wirtschaftlicher Zusammenarbeit
unterstützen. In dem Maße, wie die kubanische Regierung Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie
macht, wird die Europäische Union diesen Prozess unterstützen, insbesondere durch Intensivierung
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Vertiefung des Dialogs.«
Harald Neuber
Neues Deutschland 27.03.2009
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