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Kuba integrieren
An der Roten Insel in der Karibik scheiden sich die Geister auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad und Tobago
Im venezolanischen Cumaná sind am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs der Bolivarischen
Alternative für die Völker Unseres Amerika (ALBA) zusammengekommen, um mit Blick auf den am
heutigen Freitag in Trinidad und Tobago beginnenden Amerika-Gipfel ihr Vorgehen abzustimmen. Neben den
Repräsentanten der ALBA-Mitgliedsstaaten – Venezuela, Kuba, Bolivien, Nicaragua, Honduras und
Dominica – hatten sich als Gäste auch Ecuadors Präsident Rafael Correa und sein Amtskollege aus
Paraguay, der frühere Bischof Fernando Lugo, im Zeitgeschichtlichen Museum der ostvenezolanischen
Küstenstadt eingefunden.
Die Teilnehmer des Treffens, das erst nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe zu Ende gegangen ist,
wollten die Diskussion um die Einführung einer gemeinsamen Währung fortsetzen, deren Schaffung
im vergangenen November in Caracas vereinbart worden war.
»Der Dollar kann nicht weiterhin die internationale Währung sein«, kommentierte der gegenwärtige
Generalsekretär der UNO-Vollversammlung, Miguel d’Escoto, die Diskussion um die neue Währung.
Die unverantwortliche Steuerpolitik der US-Administration dürfe nicht durch den Rest der Welt bezahlt
werden, und der ALBA-Gipfel könne erreichen, daß andere regionale Währungen wie der
vorgeschlagene Sucre eingeführt werden. Der frühere Außenminister des sandinistischen
Nicaragua erläuterte weiter, er wolle mit seiner Teilnahme an dem Treffen der alternativen
Staatengemeinschaft die dort versammelten Regierungschefs einladen, auch an einem für Anfang Juni von
der UNO einberufenen Gipfeltreffen über Maßnahmen gegen die internationale Finanzkrise
teilzunehmen.
Neben der Währungsdiskussion stand das gestrige Treffen vor allem im Zeichen des heute in Trinidad
und Tobago beginnenden Amerika-Gipfels, zu dem außer Kuba alle Staats- und Regierungschefs des
Kontinents eingeladen sind. Gerade die Abwesenheit der sozialistischen Insel dürfte jedoch zu einem
der Hauptstreitpunkte in Port of Spain werden, denn insbesondere die Präsidenten von Venezuela, Hugo
Chávez, Bolivien, Evo Morales, und Nicaragua, Daniel Ortega, haben bereits im Vorfeld
angekündigt, eine Aufhebung des Ausschlusses Kubas einzufordern. Die Mitgliedschaft der Insel war
1962, in der heißesten Phase des Kalten Krieges, suspendiert worden. Obwohl es Kuba heute strikt
vermeidet, Interesse an einer Rückkehr in die OAS zu bekunden, und der frühere kubanische
Präsident Fidel Castro schon die Annahme »beleidigend« nennt, Kuba könne ein Interesse an einer
Aufhebung der Suspendierung haben, ist die Frage der kubanischen Mitgliedschaft vor allem für die
linken Regierungen Lateinamerikas zu einem Thema geworden, mit dem die Vorherrschaft Washingtons in der
OAS in Frage gestellt werden kann. So hat Ecuadors Präsident, Rafael Correa, vorgeschlagen, die OAS
zu verlassen und eine Organisation Lateinamerikanischer Staaten ohne die USA zu gründen, wenn die
Rückkehr Kubas verweigert werden sollte.
Die US-Administration ist sich des in Trinidad und Tobago auf sie wartenden Sprengstoffes wohl
bewußt. Sicherlich nicht zufällig hat US-Präsident Barack Obama wenige Tage vor dem Beginn
des Amerika-Gipfels eine Lockerung der Reisebeschränkungen für in den USA lebende Kubaner
angekündigt, ohne jedoch die seit fast 50 Jahren aufrechterhaltene Blockade der Insel in Frage zu
stellen. Möglicherweise ebenfalls, um den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Barack Obama
bei der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet um ein Treffen mit den Staatschefs der Union
Südamerikanischer Nationen (Unasur) gebeten. Während Bachelet, die gegenwärtig als
Präsidentin der vor knapp einem Jahr offiziell gegründeten Unasur amtiert, ankündigte, die
Präsidenten der Mitgliedsstaaten zu einem solchen Treffen mit Obama einzuladen, betonte ihr
Außenminister zugleich, daß Chile zwar »Beobachtungen« über die Frage der Menschenrechte
in Kuba gemacht habe, zugleich jedoch der Überzeugung sei, daß es »Zeit für eine
größere Integration Kubas in der Hemisphäre und Lateinamerika« sei. Deshalb habe Mariano
Fernández seiner US-amerikanischen Kollegin Hillary Clinton bei einem bilateralen Treffen am
vergangenen Mittwoch in Washington auch die Forderung nach einer Aufhebung der Blockade übermittelt.
André Scheer
Junge Welt, 17.04.2009
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