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Nur noch mit Kuba
Als hoffnungsvollen Neuanfang der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika haben die meisten Staats-
und Regierungschefs der Region den Verlauf des Amerika-Gipfels in Trinidad und Tobago eingeschätzt,
der am Sonntag nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe zu Ende gegangen ist. Bis zuletzt blieb
fraglich, ob sich die Teilnehmer des Treffens auf eine gemeinsame Abschlußerklärung einigen
konnten, nachdem Staaten wie Venezuela, Ecuador, Nicaragua, Honduras und Bolivien angekündigt hatten,
das Dokument nicht zu unterzeichnen, weil es nicht auf die gegenwärtigen Herausforderungen in der
Region eingehe und zugleich die Ausgrenzung Kubas beibehalte.
Neben Fragen der Förderung alternativer Energien blieb das Verhältnis zu Kuba das bestimmende
Thema der Beratungen. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sagte, er schäme sich, an einem
Gipfeltreffen teilzunehmen, von dem Kuba ausgeschlossen ist. Auch der bolivianische Staatschef Evo Morales
betonte, dies müsse der letzte Gipfel gewesen sein, an dem Kuba nicht habe teilnehmen dürfen.
Noch einen Schritt weiter ging Chávez und schlug unter Beifall vor, sich das nächste Mal in
Havanna zu treffen.
Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza,
kündigte an, er wolle bei der nächsten ordentlichen OAS-Generalversammlung Anfang Juni in
Honduras die Aufhebung der seit 1962 bestehenden »Suspendierung« der kubanischen Mitgliedschaft
beantragen. Dann könne Kuba selbst entscheiden, ob es in die Organisation zurückkehren wolle,
so Insulza.
Der kubanische Präsident Raúl Castro hatte einen solchen Schritt am Rande des ALBA-Gipfels im
venezolanischen Cumaná bereits ausgeschlossen. Kuba werde nicht in die Organisation
zurückkehren, sondern die OAS müsse »verschwinden«, sagte er. »Die Liste dessen, was uns die OAS
angetan hat und weiter antun will, ist unendlich«, betonte Castro und erinnerte daran, daß sein
Bruder Fidel Insulza bereits geantwortet habe. Fidel Castro hatte geschrieben, schon die Annahme, Kuba
wolle in die OAS zurückkehren, sei eine Beleidigung. Zugleich hatte die kubanische Regierung jedoch
nicht ausgeschlossen, künftig an den seit 1994 stattfindenden Amerika-Gipfeln teilzunehmen.
Barack Obama selbst vermied es, konkret auf die unter anderem von Argentiniens Präsidentin Cristina
Fernández de Kirchner erhobene Forderung nach einer Aufhebung der Blockade der USA gegen Kuba
einzugehen. »Die Vereinigten Staaten haben viel getan, um Frieden und Wohlstand in der Region zu
fördern, manchmal haben wir uns herausgehalten, und manchmal wollten wir unsere Vorstellungen
diktieren. Aber ich verspreche Ihnen, daß wir eine gleichberechtigte Partnerschaft wollen«, sagte
Obama.
Der Versuch Obamas, die Einmischung der USA in die Belange anderer Staaten und das Anzetteln von Kriegen
in der Geschichte des Kontinents einfach zu vergessen (»Ich bin nicht hergekommen, um über die
Vergangenheit zu diskutieren«), stieß jedoch auf den Widerspruch der lateinamerikanischen
Präsidenten. Lateinamerika sei stolz auf seine Geschichte, betonte Hugo Chávez, und Evo
Morales fügte hinzu, daß die Einmischung der USA in der Region leider keine Angelegenheit der
Vergangenheit sei, sondern Washington erst vor wenigen Monaten in den Versuch verwickelt gewesen sei,
seine Regierung mit Hilfe sezessionistischer Bestrebungen einiger Provinzen in Bolivien zu stürzen.
André Scheer
Junge Welt, 20.04.2009
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