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Adler und Fliegen
Kuba und Venezuela empört über Jahresbericht der »Interamerikanischen Menschenrechtskommission«


Havanna und Caracas haben empört auf den jüngsten Jahresbericht der »Interamerikanischen Menschenrechtskommission« (CIDH) reagiert. Neben den von Gewalt erschütterten Staaten Kolumbien und Haiti sind Kuba und Venezuela die einzigen Länder der Region, die in dem Bericht mit eigenen Kapiteln behandelt werden, weil »ihre Praktiken im Bereich der Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit« erforderten, wie es in dem Vorwort des Berichts heißt.

Es ist wohl kaum ein Zufall, daß dieser Bericht gerade jetzt erscheint. Im Juni findet in Honduras die 49. Vollversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) statt, deren Einrichtung die CIDH ist. Am Rande des Amerika-Gipfels im April hatte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza angekündigt, eine Aufhebung der seit 1962 bestehenden »Suspendierung« der kubanischen Mitgliedschaft beantragen zu wollen, nachdem alle Staaten Lateinamerikas wiederholt ein Ende der US-amerikanischen Blockade gegen die Insel gefordert hatten. Dieser Forderung hatte sich auch US-Präsident Barack Obama nicht entziehen können und »Lockerungen« der Maßnahmen Washingtons gegen Kuba angekündigt. Eine Aufhebung der Blockade steht aber nach wie vor nicht auf seiner Agenda.

»Man muß diese dreiste Institution fragen, welches Recht sie hat, uns zu verurteilen, wenn wir doch aus der OAS ausgeschlossen wurden, weil wir unsere Überzeugungen gesagt haben, und nicht Mitglied dieser Institution sind. Würde die OAS dasselbe mit der Volksrepublik China, Vietnam und anderen Ländern tun, die wie Kuba ihre Unterstützung für die marxistisch-leninistischen Prinzipien erklärt haben?« fragte der frühere Präsident Fidel Castro in einer am Sonnabend von den kubanischen Medien veröffentlichten Reflexion. Ironisch kommentierte er: »Gibt es in dieser verfaulten Institution (der OAS) tatsächlich eine CIDH? Ja, sie gibt es. Und was ist ihre Aufgabe? Die Menschenrechtssituation in den OAS-Mitgliedsländern zu beurteilen. Sind die USA Mitglied dieser Institution? Ja, eines ihrer ehrenwertesten Mitglieder. Wurde die US-Regierung einmal verurteilt? Nein, niemals. Nicht einmal für die mörderischen Verbrechen von Bush, die Millionen Menschen das Leben gekostet haben? Nein, niemals, wie könnte sie so eine Ungerechtigkeit begehen. Nicht einmal für die Folterungen in der Base von Guántanamo? Unseres Wissens nicht ein einziges Wort.«

Auch die venezolanische Regierung zieht ihre eigene Bilanz. Zwischen der Ratifizierung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention durch Venezuela am 23. Juni 1977 und dem Jahr 2000 bestätigte die CIDH sechs Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen den venezolanischen Staat. In diesen 23 Jahren ging es um die Ermordung von Studenten, das Verschwinden und die Folterung von Politikern, Medienzensur und die Massaker an Zivilisten in Cantaura, Yumare und während des Caracazo von 1989. Seit dem Regierungsantritt von Hugo Chávez 1999 bis heute hat sich die Kommission hingegen um über 150 Fälle gekümmert und beklagt in dem Bericht die »Einschüchterung von Oppositionspolitikern«. Zu den von der CIDH registrierten Fällen gehört jedoch beispielsweise nicht der Putsch vom April 2002, bemerkt das Außenministerium in Caracas: »Es ist notwendig, daran zu erinnern, daß die Kommission Venezuela im Mai 2002 besucht hat, kurz nach dem Putsch, und anstatt diesen Anschlag auf die demokratischen Institutionen zu verurteilen, rechtfertigte sie die Handlungen der Urheber.«

Ähnlich scharf hatte die venezolanische Regierung in der vergangenen Woche auch auf eine von gerade einmal 27 der insgesamt 785 Abgeordneten des Europaparlaments verabschiedete Resolution reagiert, in der im Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen gegen den früheren Gouverneur des Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales, von einem »Niedergang der Demokratie« gesprochen wurde. Rosales hatte sich nach Peru abgesetzt, wo er politisches Asyl erhalten hat.

»Was interessiert uns das Europäische Parlament, was interessiert uns die europäische Rechte. Wir haben uns entschieden, frei zu sein«, kommentierte Venezuelas Präsident Hugo Chávez unter Anspielung auf eine ähnliche Äußerung des Nationalhelden Simón Bolívar diese Resolution, die auch von den Europa-Fraktionen der Linken, der Grünen und der Sozialdemokraten als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas abgelehnt worden war. Mehr wollte Chávez dazu jedoch nicht sagen, »denn ein Adler fängt keine Fliegen«.

junge Welt André Scheer
Junge Welt, 11.05.2009









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