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Kuba zeigt OAS die kalte Schulter
Havanna hat kein Interesse an Rückkehr
Die Tür für die Rückkehr Kubas in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) steht
offen. Doch die Regierung von Raúl Castro hat mehrfach und unmissverständlich klar gemacht, dass sie
kein Interesse an einer Wiederaufnahme in die OAS hat.
Kuba genießt den diplomatischen Erfolg und begrüßt selbstverständlich »die von der
39. Generalversammlung in Pedro Sula (Honduras) erreichte Wiedergutmachung der historischen Ungerechtigkeit«.
Damit ist nicht weniger als der Rausschmiss Kubas 1962 aus den Reihen der Organisation gemeint. Havanna
genießt, schweigt aber nicht: Kuba werde nicht wieder in den Schoß »der unbestatteten Leiche«
OAS zurückkehren.
In aller Offenheit hatten damals die Vertreter der Vereinigten Staaten den Ausschluss eingefädelt –
im Widerspruch zu den Statuten der OAS, in denen den Mitgliedern Meinungsvielfalt zugestanden wird. Aber
die Statuten waren 1948 in Kraft getreten. Eine politische Bewegung wie die kubanische Revolution schien
damals undenkbar zu sein. Als sie dann doch elf Jahre später von der Insel Besitz ergriff, sollte
sie so schnell wie möglich wieder aus der Welt geschafft werden, unter anderem durch totale Isolierung.
Das ging schief, Kuba unterhält heute diplomatische Beziehungen zu allen Staaten der westlichen
Hemisphäre mit Ausnahme der USA. Die versuchten trotzdem noch bis zur letzten Minute, die
OAS-Generalversammlung zu bewegen, die »Korrektur der historischen Ungerechtigkeit« an Bedingungen zu
knüpfen. Selbst das wurde nicht akzeptiert. Ein Sieg Kubas auf der ganzen Linie. Und die kubanische
Regierung versprach in ihrer Erklärung, sie werde sich wie bisher aktiv an den regionalen Mechanismen
beteiligen, so wie es José Marti vorschwebte – in »unserem Amerika, das vom Rio Bravo über die
karibische Region bis nach Patagonien reicht«.
Fernando Lugo, der Präsident Paraguays, flog von Pedro Sula direkt zu einem Staatsbesuch nach Kuba.
Er war das zehnte lateinamerikanische Staatsoberhaupt, das in diesem Jahr der kubanischen Regierung seine
Aufwartung machte. Ab Mittwoch waren es mit Evo Morales elf. Sieben wurden auch von Fidel Castro
empfangen, der seine Leitartikel unermüdlich weiterschreibt, mindestens zwei Mal die Woche. In einem
seiner jüngsten macht er klar, dass Kuba in allen regionalen Organisationen – und das sind fast ein
Dutzend – aktiv mitarbeitet. Das ist wohl ein Hinweis, der jene Landsleute beruhigen soll, die gesagt
haben: Da haben sich die meisten OAS-Mitglieder redlich und zäh bemüht, Kuba wieder seinen
Platz in der Organisation freizumachen, und wir sagen nur nein, für uns hat sich dieser Verein
erledigt.
Doch Kuba bleibt selbstverständlich amerikanisch eingebunden. Noch im Juni finden zwei Treffen mit
Lateinamerikanern und Kariben statt, der sechste Gipfel von Petrocaribe, der seit Donnerstag in St. Kitts
und Nevis unter Teilnahme von 16 Staaten tagt, und am 24. Juni treffen sich in Caracas Venezuela, Kuba,
Honduras, Nicaragua, San Vincent und die Grenadinen, Dominica sowie Ecuador und El Salvador als Mitglieder
der Bolivarianischen Alternative für unser Amerika (ALBA).
Bald werden auch wieder die Migrationsverhandlungen USA-Kuba aufgenommen, die George W. Bush 2004 abrupt
abbrach, nachdem sie neun Jahre lang den einzigen offiziellen Kontakt zwischen den beiden Nachbarn
dargestellt hatten. Kuba hat sich in diesem Zusammenhang auch zur Kooperation auf den Gebieten
Antidrogenschmuggel, Antiterrorismus und Vorsorgemaßnahmen im Fall von Naturkatastrophen bereit
erklärt – nicht zum ersten Mal.
Unterdessen hat die brasilianische Regierung ihr Außenministerium angewiesen, sich an die Spitze der
Offensive gegen das »anachronistische Embargo« zu stellen. Diskret, wenn auch nachdrücklich, und ohne
den US-amerikanischen Präsidenten unnötigerweise unter Druck zu setzen, wie die brasilianische
Tageszeitung »O Estado de Sao Paulo« erfahren haben will. Der neue US-Botschafter in Brasilien ist Thomas
Shannon, der unter Bush zeitweise für die westliche Hemisphäre zuständig war. Der Chef der
kubanischen Interessenvertretung in Washington ist Jorge Bolaños, ehemaliger Botschafter Kubas in
Brasilien. Die Konstellation hält man in Brasilia für vielversprechend für die
brasilianische Geheimdiplomatie. Aber so ehrenwert und zeitgemäß das Vorhaben auch ist,
Präsident Obama wird sich damit Zeit lassen müssen. Die Erbschaft, die er von seinem
Vorgänger übernehmen musste, begrenzt seinen Spielraum.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 13.06.2009
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