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Neuer Machtfaktor
Die Bolivarische Allianz ALBA ist bei einem Gipfeltreffen in Venezuela auf neun Mitglieder angewachsen
Die vor knapp fünf Jahren von Kuba und Venezuela gegründete Staatengemeinschaft ALBA ist am
Mittwoch auf neun Mitglieder angewachsen. Bei einem Gipfeltreffen im venezolanischen Maracay
erklärten Ecuador, San Vicente und die Grenadinen sowie Antigua und Barbuda ihren Beitritt zu der
Organisation und wurden von den bisherigen Mitgliedern Kuba, Venezuela, Bolivien, Nicaragua, Honduras und
Dominica begrüßt.
In einer offiziellen Zeremonie verlas Ecuadors Außenminister Fander Falconi Benitez die
Beitrittserklärung seines Landes, die anschließend vom Präsidenten des Landes, Rafael
Correa, unterzeichnet wurde. Unmittelbar darauf verlas Venezuelas Präsident Hugo Chávez die
von den bisherigen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung zur Aufnahme Ecuadors und der beiden
Karibikstaaten. Zugleich wurde der Name des Bündnisses von »Bolivarische Alternative« in
»Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerika« geändert, um so die neue Bedeutung zu
unterstreichen. Denn längst ist ALBA, das als eher propagandistische Alternative zum von den USA
betriebenen Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) entstanden war, zu einem Machtfaktor
in der Region geworden. Zuletzt spielten die ALBA-Mitglieder ihre Bedeutung bei der Generalversammlung der
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aus, als maßgeblich sie die Aufhebung des Ausschlusses
Kubas durchsetzten.
»ALBA ist kein theoretischer Vorschlag mehr, sondern eine territorialpolitische, geopolitische und
machtpolitische Plattform«, betonte auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez und unterstrich
damit eine entsprechende Äußerung des als Beobachter an dem Treffen teilnehmenden
Außenministers von Paraguay, Héctor Lacognata. »Wir errichten eine neue Realität. Jeden
Tag ist die Stimme von ALBA mehr zu hören und jeden Tag hat sie mehr Einfluß auf die
geopolitische Realität dieses Kontinents.« Über einen eventuellen Beitritt Paraguays zur ALBA
wollte sich Chávez jedoch nicht äußern. Darüber müsse die Regierung dieses
Landes entscheiden.
Auf Vorschlag des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa wurde bei dem Treffen in Maracay ein
Politischer Rat der Allianz geschaffen, der von den Außenministern der Mitgliedsstaaten gebildet
wird und erstmals am 27. Juli in Quito zusammenkommen soll. Wie Correa formulierte, soll durch diese neue
Stärkung der ALBA-Gremien auch ein Abrutschen der Allianz in einen Ökonomismus verhindert
werden, wie es andere Integrationsprozesse erlebt haben. Offen blieb jedoch zunächst, worin sich der
Politische Rat von dem ebenfalls durch die Außenminister gebildeten Ministerrat unterscheidet.
Chávez regte bereits an, beide Gremien zusammenzulegen und zu ermächtigen, Erklärungen zu
politischen Ereignissen weltweit abzugeben. »ALBA sollte keines der politischen Themen beiseite schieben,
die Tag für Tag die Welt umkreisen«, forderte der venezolanische Präsident.
Als Beispiel nannte er die Krise der UNO und der OAS: »Sie nutzen unseren Völkern nicht, und wenn sie
unseren Völkern nicht nutzen, nutzen sie für gar nichts. Entweder wir strukturieren sie um, oder
sie werden als Institutionen verschwinden«. Beide internationalen Organisationen gehorchten vor allem den
Interessen mächtiger Staaten, von denen der Kampf der Völker gegen die Aggressionen und die
Verletzung der Souveränität der verschiedenen Länder sabotiert werde. ALBA dagegen sei
»von Protesten und Vorschlägen zu Realitäten übergegangen, die sich in Aktionen zur
Integration und zur Zusammenarbeit ausdrücken«, so Chávez. Beispiele dafür seien die
Schaffung des gemeinsamen Wirtschaftssystems Sucre, das zu einer gemeinsamen Währung führen
soll, die ALBA-Bank und andere.
André Scheer
Junge Welt, 26.06.2009
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