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Liebe und Politik
Am Freitag spielt Gerardo Alfonso in der jW-Ladengalerie
Die im sozialistischen Kuba vorangetriebene Nueva Trova ist Volksjazz für Anspruchsvolle. Erfunden in
den 50er Jahren in Argentinien wurde sie in den 60er Jahren auf Kuba weiterentwickelt. Zu einer Zeit, als
Hippie-Musik noch gut war, als einem fast jede neue Rockplatte noch vorkam wie eine Revolution
(ungefähr bis 1969). Tatsächlich wurde die Revolution aber erst mal nur auf Kuba gemacht. Und
wer dort die politische mit der musikalischen Revolution der Beatles, Kinks, Stones etc kombinieren
wollte, bekam viele Schwierigkeiten, weil die Welt der Erwachsenen überall auf der Welt eine
konservative ist. Später hat es dann auch bei der Partei geschnackelt und aus Künstlern wie
Pablo Milanes, Sivio Rodriguez oder Vicente Feliú wurden dialektische Kulturrevolutionäre mit
Alltagsliedern, deren sozialistischer Inhalt die musikalische Form transzendierte. Eine Art Bitterfelder
Weg mit Groove, selbstbestimmt und nicht von oben verordnet.
Gerardo Alfonso ist ein Mann der zweiten Generation der kubanischen Nueva Trova. Mittlerweile auch schon
50, ist er mehr von Bob Marley als von Bob Dylan beeinflußt und auf Kuba gleichermaßen Popstar
wie Kumpel. Ein lässiger Singer-Songwriter mit Witz: Seine ebenso ironischen wie herzlichen Lieder
handeln von den großen Dingen: der Liebe und der Politik. Mit dem Fall der Berliner Mauer begann die
totale Krise, sagt er, damals allerdings habe er sich gerade mehr für Sex interessiert. Und für
was interessieren sich eigentlich hierzulande Tomte oder Gregor Gysi?
Wie Asger Jorn weiß Alfonso, daß die Kunst kein Handwerk ist, obwohl das Handwerk eine Kunst
ist. Und natürlich auch: »Der Inhalt der Kunst aber sind der Mensch und seine Wünsche«. Was das
politisch heißt, kann man derzeit in Soderberghs sehr gutem Kinofilm über Che Guevara
anschauen. Alfonso hat für den Che auch ein Lied verfaßt: »Son los sueños
todavía«, sozusagen als Kopf- und Handarbeiter an der Gitarre.
Alfonso ist dieser Zeitung vielfach verbunden. So spielte er bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz 1999
zusammen mit Britta, Tarwater und Feeling B, im »Cuba-libre-Post-Punk-Riot-Elektrosound-Girl-Mix«, wie
Susan Geißler damals schrieb. Und in diesem geradezu magisch funktionierenden Chaos hielt Alfonso
den Song hoch, denn gute Lieder zu schreiben ist immer noch der schwierigste Musikstil von allen. So wie
der Kommunismus laut Brecht eine einfache Sache ist, die schwer zu machen ist. Am Freitag spielt Alfonso
in der jW-Ladengalerie ein Gedenkkonzert für seinen Freund Reinhard Thiele, dem nach kurzer schwerer
Krankheit Anfang Juni verstorbenen Mitgründer und Sprecher von Cuba Si, der am Montag in Berlin
beerdigt wurde. Für dieses Konzert ist Alfonso extra aus Havanna angereist.
Freitag, 10.7., 19.30 Uhr, jW-Ladengalerie, Torstr. 6, Berlin
Junge Welt, 07.07.2009
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