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Gegengewicht zu den Industriestaaten: 15.Gipfel der nichtpaktgebundenen Staaten in Ägypten
Beharren auf Recht und Gerechtigkeit
Unter Kubas Präsidentschaft wurden die Blockfreien wieder einheitlicher und stärker
Sie entstand im Zuge des Kalten Krieges: Die 1961 gegründete Bewegung der nichtpaktgebundenen Staaten
(NAM). Noch bis Donnerstag läuft im ägyptischen Sharm el Sheikh das 15. Gipfeltreffen.
Schon vor Beginn des Gipfels der nichtpaktgebundenen Staaten war sich Abelardo Moreno des Erfolgs sicher.
Die Allianz werde gestärkt aus dem Treffen in Sharm el Sheikh hervorgehen, sagte der kubanische
Vizeaußenminister. Vom Wochenende an trafen sich in dem ägyptischen Badeort rund 500 Kilometer
südöstlich der Hauptstadt Kairo Vertreter der 118 Mitgliedsstaaten der Bewegung der
nichtpaktgebundenen Staaten (NAM), um das 15. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs dieser
größten internationalen Organisation nach der UNO vorzubereiten.
Es könnte ein Neuanfang werden. Maßgeblich beigetragen dazu hat Kuba, das am Donnerstag die
Führung der Bewegung an Ägypten abgibt. Seit die sozialistische Regierung des Karibikstaates
die Präsidentschaft vor drei Jahren übernommen hat, ist die NAM wieder zu einer globalen
Größe geworden. Auch wenn sie von Medien und politischen Akteuren in den nördlichen
Industriestaaten weitgehend ignoriert wird, hat sich die Bewegung der Nichtpaktgebundenen zu einem der
wichtigsten Integrationsmechanismen ent-wickelt. In ihren Gremien wurden zuletzt die Positionen der
südlichen Staaten zu den globalen Fragen beraten: Finanzkrise, Armut, Hunger und
Umweltzerstörung. Kubas Regierung vernetzte die NAM auch wieder mit den anderen Gremien des
Südens. Heute arbeitet die Blockfreienbewegung eng mit der G77 und China zusammen. Erstmals seit 20
Jahren kooperieren die Nichtpaktgebundenen mit der UNESCO in Kulturfragen, sie sind im
UN-Menschenrechtsrat und im Sicherheitsrat der Weltorganisation vertreten.
Kuba hinterlasse nach dreijähriger Präsidentschaft eine »einheitliche und stärkere«
Organisation, sagte Vizeaußenminister Moreno. Dieses Urteil traf in Sharm el Sheikh auf allgemeine
Zustimmung.
Die im September 1961 gegründete Bewegung der nichtpaktgebundenen Staaten vereint heute neben den
118 regulären Mitgliedsstaaten 16 Beobachterländer und 9 internationale Organisationen mit
Beobachterstatus. Sie repräsentiert damit zwei Drittel der UNO-Mitgliedsstaaten und 55 Prozent der
Weltbevölkerung. Nach Ende des Kalten Krieges hat sich die Organisation neu orientiert: Sie ist heute
Verfechterin der Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer.
Vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der heute und morgen im Konferenzzentrum »Jolie Ville« der
Maritim-Gruppe stattfindet, kamen am Wochenende im kleineren Savoy-Hotel zunächst hochrangige
Funktionäre und zu Wochenbeginn dann die Außenminister der Teilnehmerstaaten in zwei
Kommissionen zusammen. Die dabei beratene Erklärung soll, so berichtet die kubanische
Nachrichtenagentur Prensa Latina, auf dem Dokument des vorangegangenen Gipfels von Havanna aufbauen.
»Enttäuscht« zeigen sich die Blockfreien von der Klimapolitik der Industriestaaten. Der »sehr
langsame Fortschritt« bei diesem Thema traf in Sharm el Sheikh auf Kritik. Sie soll auch im
Abschlussdokument festgehalten werden. Verurteilt wurde auch die »israelische Aggression« gegen die
palästinensischen Gebiete. Eine besondere Erwähnung findet der Krieg in Gaza. Die NAM
unterstützt ausdrücklich das Recht auf die zivile Nutzung von Atomenergie. Solidarisch zeigen
sich die Mitgliedsstaaten mit Kuba, das seit Jahrzehnten unter der Blockade der USA steht. Der
Militärputsch in Honduras wurde einhellig verurteilt.
In der Abschlusserklärung soll, wie bereits bekannt wurde, ausdrücklich auf die »Prinzipien von
Bandung« Bezug genommen werden. In der indonesischen Stadt waren 1955 im Gründungsprozess vorab die
ersten Eckpunkte für eine Bewegung der Nichtpaktgebundenen festgelegt worden: friedliche Lösung
internationaler Konflikte, Achtung der UNO-Charta und Respekt vor der staatlichen Souveränität.
Alles Prinzipien also, die von den westlichen Staaten, vor allen den USA, häufig systematisch
gebrochen werden.
Harald Neuber
Neues Deutschland 15.07.2009
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