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Hart und weich
Am Samstag beginnt die Deutschland-Tour der kubanischen Metal-Band Tendencia – auf der Fiesta de Solidaridad in Berlin
Laut, düster, hart, kompromißlos – Ethno-Metal. Nicht gerade das, was man von der sonst
für Salsa oder Son bekannten Karibikinsel Kuba gewöhnt ist. Tendencia heißt die Band, die
dort dem Metal zu großer Beliebtheit verhilft. Tendencia – die Tendenz zum Tinitus.
Bestehend aus sechs stattlichen, größtenteils langhaarigen Männern, scheint Tendencia auf
den ersten Blick das Klischee der aggressiven Garage-Band vollkommen zu erfüllen. Allerdings steht
der bürgerliche Hintergrund der Mitglieder schon sehr im Kontrast zur harten Attitüde der Band.
Einer arbeitet als Professor für Ökonomie, ein anderer als Musikpädagoge, einer als
Kultursoziologe, und dann wiederum ist einer Abgeordneter des kubanischen Parlaments.
Zugegeben, bei dem ersten Durchskippen ihres aktuellen Albums »Confidencial« wirken die harten
Gitarrenriffs und die teilweise übersteuerten Gebrüllgesänge von Vakero etwas eintönig
und wenig innovativ. Erst beim genaueren Hinhören fallen die Einflüsse der
traditionell-kubanischen Musik auf. So wird beispielsweise viel Wert auf die folkloristische Tradition
der afrokubanischen Perkussion gelegt, was diesem harten Sound teilweise durchaus weiche Züge
verleiht.
Trotzdem bleibt die Atmosphäre durchweg düster, sowohl musikalisch als auch textlich. Ihre
musikalische Revolution lebt durch Parolen, die an die der kubanischen Revolution angelehnt sind, wie
»muere de frente y sangrando, muere de frente y luchando« (»stirb in Ehren und blutend, stirb in Ehren
und kämpfend«). Die Band möchte mit ihren Texten auch politisch etwas bewegen, was schon auf
dem Cover des Albums klar erkennbar ist. Dort findet sich ein Satellitenbild Kubas, in dem die Provinz
Guantánamo, einschließlich der gleichnamigen US-Militärbasis in Handschellen liegt. Im
Titel »Guantánamo« wird genau dieser Konflikt thematisiert und die Auflösung der
Militärbasis gefordert.
Anders als viele ihrer kubanischen Rock- oder Punk-Kollegen haben Tendencia keine Antihaltung
gegenüber der Politik ihres Landes. Ganz im Gegenteil, sie wollen mit dem Gerücht
aufräumen, harte Musik sei auf der Insel geächtet oder sogar verboten. Tatsächlich
erhielten sie unzählige Preise wie den »Cubadisco« für das beste Metalalbum, was beweist,
daß sie nicht nur geduldet, sondern sogar bejubelt werden.
Nach mehr als 15 Jahren Musikkarriere zielen Tendencia auf eine neue Richtung innerhalb der modernen
Musik, in der sich intensiver Rock mit karibischer Emphase und Spontaniät vermischen.
Am Samstag spielt die Band zum ersten Mal live in Deutschland. Ihr Auftritt bei der traditionellen Fiesta
de Solidaridad con Cuba in der Berliner Parkaue bildet den Auftakt einer Deutschland-Tournee. Dort werden
sie dem zum größten Teil auf traditionell-kubanische Klänge gepolten Publikum zeigen,
daß sie für vorgefertigte Slogans oder die Erfüllung konventioneller Erwartungen nicht zu
haben sind. Rock the Revolution.
Tendencia: »Confidencia!« (Santo Grial Records)<7b>
Tour: 25.7. Berlin, Parkaue, Fiesta de Solidaridad; 1.8. Trebur, Open Air; 6.8. Göttingen, Juzi;
7.8. Bad Harzburg, Jugendtreff; 14. Warne, Dithmarscher Rockfestival; 15.8. Essen, Kaiserparkfest; 22.8.
Düsseldorf tba; 29.8. Berlin, Sommerfest der DKP Berlin; 6.9. Darmstadt, Sommerfest der Linkspartei;
11.9. Hamburg, Rote Flora (weitere Termine kann man noch buchen unter: 06147201520)
Luis »Lucry« Cruz
Junge Welt, 24.07.2009
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