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»Wir haben die Saiten aufgekocht«
Ein Gespräch mit Kiko Valdés und Sergio Puente von Tendencia
Kiko Valdés spielt Keyboard und Gitarre bei Tendencia und ist kubanischer Parlamentsabgeordneter.
Sergio Puente spielt die Leadgitarre und arbeitet als Komponist und Kulturfunktionär.
Ethno-Metal auf Kuba – wovon läßt sich Tendencia beeinflussen?
Kiko Valdés: Wir werden häufig mit der Metalband Sepultura aus Brasilien verglichen, die
sicherlich ähnliche Wurzeln haben wie wir. Anders als sie arbeiten wir viel mit Percussion. Wir haben
immer versucht, ein persönliches Zeichen zu setzen als authentische Rockband, indem wir die
afrokubanische Kultur in unserer Musik mit verarbeitet haben. Wir setzen Percussioninstrumente ein, wie
das Batá, das vorwiegend in afrokubanischen Zeremonien zum Einsatz kommt, oder die Kongas und
Timbales, die für Salsabands typisch sind, in der Rockmusik aber in der Regel nicht zum Einsatz
kommen. Diese Fusion von Heavy Metal mit Elementen der afrokubanischen Kultur ist in der Tat in ihrer
Form einzigartig.
Außerhalb Kubas hält sich das Gerücht, Rock- oder Punkbands seien auf der Insel
geächtet oder sogar verboten.
Sergio Puente: Das ist natürlich Unsinn. Da ist viel Desinformation im Umlauf. Tatsächlich
wurden zu Beginn der Revolution Randgruppen nicht geduldet – Männer durften keine langen Haare haben
und solche Dinge. Aber das ist lange vorbei. Die Kultur in Kuba ist sehr stark diversifiziert – und das
mit der vollen Unterstützung unserer Regierung. Auf Kuba werden jedes Jahr sechs oder sieben
Rockfestivals organisiert, eines davon ist ein internationales. Sepultura waren auch schon mal in Havanna
und haben sogar auf der Antiimperialistischen Tribüne gespielt. Es gibt bestimmt 100 Metalbands auf
der Insel. Letztes Jahr wurde das »Maxim Rock« in Havanna eröffnet und vom Staat komplett mit
Equipment ausgestattet. An sieben Tagen in der Woche spielen da Rock- und Metalbands.
Das größte Problem vieler Musiker und Bands in Kuba ist ja ein ganz banales –
nämlich Instrumente, Equipment, Zubehör, Gitarrensaiten, all solche Dinge. Wie war das bei
euch?
Puente: Wir haben sehr lange auf russischen Instrumenten und auf Gitarren aus der DDR gespielt. Die
Gitarrensaiten haben wir aus Telefonkabeln gebastelt und die Plektren aus alten Schallplatten. Für
den Bass war das natürlich schwieriger. Wenn wir einen Satz Saiten von Freunden bekamen, dann wurde
jahrelang darauf gespielt. Anschließend wurden die Saiten runter genommen, ein paar Minuten gekocht
und wieder aufgezogen. Wenn wir dann neue bekamen, haben wir die alten Saiten einer befreundeten Band
geschenkt, und ich bin sicher, daß die Saiten in irgendeiner Form noch heute alle im Einsatz sind.
Vor etwa eineinhalb Jahren wurden wir dann vom Staat mit neuen Instrumenten und Equipment ausgestattet.
Wir bekamen eine Gitarre, einen Bass, ein Schlagzeug …
Wie politisch ist eure Musik?
Valdés: Für uns ist Musik immer politisch. Wir wollen zeigen, was wir denken, und eine Message
rüberbringen. Die Informationen, die über Kuba medial kursieren, sind ja häufig sehr stark
manipuliert, und wir möchten als kubanische Musiker vor allem auch unsere Sicht auf Kuba darstellen.
Puente: Wir wollen auch rüberbringen, wie wir in Kuba denken und fühlen, daß wir uns im
Kampf gegen die Blockade und für unsere Revolution einbringen. Wir wissen, daß Kuba nicht
perfekt ist. Unser Ziel ist es, unser System zu verteidigen und zu perfektionieren.
Interview: Barbara Köhler
Junge Welt, 24.07.2009
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