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»Bill« zieht an Kuba vorbei
Hurrikan-Saison hat spät begonnen
Der mächtige Hurrikan »Bill« wird auf seinem Zug durch den Atlantischen Ozean keine Bedrohung
für Kuba. Doch die Hurrikansaison hat damit erst begonnen.
Nur acht Mal seit 1899 hat die Hurrikan-Saison im tropischen Westatlantikbecken so spät begonnen wie
in diesem Jahr. Nach zweieinhalb Monaten außergewöhnlicher Ruhe bildeten sich erst am
vorvergangenen Wochenende vor der Westküste Afrikas drei dieser Niederdruckgebiete, die bei ihrer
Überquerung des Atlantiks so viel Energie akkumulieren, dass sie hier in der karibischen Region als
Tropengewitter, Wirbelstürme oder Hurrikans ankommen können. Oder bestenfalls auf der Strecke
bleiben, wie jetzt zwei der drei Niederdruckgebiete.
In Kuba sei der globale Klimawechsel bereits zweifelsfrei nachzuweisen, stellten Experten im Juli
während ihres internationalen Kongresses für Umwelt und Entwicklung in Havanna fest: Die
Niederschläge zur Regenzeit von Mai bis Oktober hätten deutlich nachgelassen, der Meeresspiegel
und die Temperaturen seien gestiegen und die Hurrikans gefährlicher geworden. Kuba trifft keine
Schuld. Dafür hat schon der unermüdliche Mahner in Sachen Umweltschutz Fidel Castro gesorgt.
Die zuständigen Fachorganisationen der Vereinten Nationen haben das vielfach gewürdigt. Und
in der Hurrikan- und Klimawechselvorsorge für die gesamte Bevölkerung gehört Kuba ebenfalls
zur Weltspitze. Trotzdem lassen sich Katastrophen nach Hurrikans nicht vermeiden, sondern nur kleiner
halten, zumal die kubanische Regierung wegen finanzieller Probleme gezwungen ist, bei der Umsetzung ihrer
Ideen in die Praxis kürzer zu treten als ihr lieb ist.
Als nach den drei Hurrikans von 2008, die einen Schaden von mehr als zehn Milliarden Dollar angerichtet
haben, Bilanz gezogen wurde, bestätigte sich die Einschätzung, dass die Insel am verletzbarsten
in der Landwirtschaft und der Bereitstellung von Wohnraum ist. Der zweite Posten umfasst den Wohnungsbau
und die Reparaturen von Wohnstätten, die von den Hurrikans zerstört bzw. schwer beschädigt
wurden. In der Landwirtschaft wird zum Beispiel erfolgreich mit der Einführung resistenter
Bananensorten experimentiert. Gerade die Bananenplantagen, auf denen ein Hauptnahrungsmittel der Kubaner
wächst, werden von den Wirbelstürmen regelmäßig völlig plattgemacht, so dass
man oft ein Jahr bis zur nächsten Ernte warten muss, ehe auf dem Markt wieder Bananen zu haben sind.
Von 2001 bis 2008 wurde Kuba von neun Hurrikans großer Intensität heimgesucht. Sie
zerstörten beziehungsweise beschädigten 1,2 Millionen Wohnstätten. Mit weiteren 200 000
stand das Bauministerium bei der Bevölkerung ohnehin in der Kreide. Jetzt hat das Zentrum zur
Untersuchung von Baumaterial der Universität von Las Villas in Zusammenarbeit mit Partnern aus Kanada
und der Schweiz auf Erfahrungen aus dem Jahr 1991 zurückgegriffen und regt an, Ziegel aus
Öko-Material, Zuckerrohrrückständen, Zeolith und Kalk zu brennen. Das Endprodukt – der
Ziegel CP-40 – ist nicht nur umweltfreundlicher und rentabler als die Herstellung herkömmlichen
Baumaterials. Die mit ihm hochgezogenen ebenerdigen Häuschen haben auch die Hurrikans besser
überstanden.
2009 also ohne Hurrikan? Vor diesem Fehlschuss wird eindringlich gewarnt. Für Kuba stehen die
historisch gefährlichsten Monate September und Oktober noch bevor. Und die Saison klingt sowieso erst
am 30. November aus.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 24.08.2009
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