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Kuba plant den strukturellen Wandel
Havanna sucht den »Sozialismus mit Pep«
Der wiederholt verschobene 6. Parteitag der KP Kubas wird 2009 definitiv nicht stattfinden. Erst soll das
alltägliche politische Feld so bestellt werden, dass der Kongress strategische Analysen und
Richtlinien vornehmen und -geben kann.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es habe keinen Sinn sich nur der Form halber zu beeilen, wenn nicht
gewährleistet sei, dass der Kongress die wesentlichen strategischen Aufgaben des Landes analysiert
und klare Richtlinien für die Zukunft verabschiedet werden können. So begründete
Präsident Raúl Castro, der 2. Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas, im August die
Verschiebung des 6. Parteitages. Was Kuba anzupacken habe, machte Castro klar: Bürokratieabbau, die
Abschaffung von »Unentgeltlichkeiten insoweit sie nicht von der Verfassung garantiert sind«, ein Ende der
Gleichmacherei, die Streichung von nicht zu rechtfertigenden Subventionen, eine Renovierung der
Volksbildung und der Landwirtschaft sowie angemessene Strenge gegenüber Korruption und
Rosstäuschereien. Die Liste ist lang.
Betriebsküchen mussten dicht machen (»oft genug Quellen für enormen Diebstahl und den
Schwarzmarkt«). Im Gegenzug bekommen Arbeiter und Angestellte der betroffenen Betriebe und Verwaltungen
pro Arbeitstag 15 Pesos zusätzlich, was sich fast zu einem zweiten Monatsgehalt summiert, um sich
»auf der Straße« oder von zu Hause selbst zu versorgen. Simultan dazu erhalten private Kioskbesitzer
und Taxifahrer wieder Lizenzen. Wer, egal ob Kubaner oder Ausländer in den vergangenen Jahren die
kubanischen Pass- und Zollkontrollen mit mühsam gebändigter Wut über sich ergehen lassen
musste – Schikanen und Bestechungen waren an der Tagesordnung – wundert sich heute längst nicht mehr,
wie nett, effizient und schnell die neuen jungen Zöllner und Zöllnerinnen sind, die nicht durch
sowjetische oder DDR-Ausbildungsschulen verformt wurden.
In der Parteizeitung »Granma« fragt der 16-jährige Alejandro, warum sich der Sozialismus eher von
Ideologie als von Ästhetik leiten lasse? Ob es eine andere Option für Kuba gebe? Ob »Sozialismus
mit Pep« unmöglich sei? »Granma« antwortete mit drei Zweispaltern freundlich und geduldig. Da
heißt es unter anderem: »Wir alle sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass die Wiege des
Sozialismus in Osteuropa, speziell in der UdSSR stehe«, bis man aus dem Traum erwachte, als diese
Sozialisten das bereits mit Schlagseite schlingernde Schiff verließen. »Granma« erinnert an den
Gründer der ersten marxistisch-leninistischen Partei Kubas Julio Antonio Mella, der prophetisch
davor gewarnt hatte, die sowjetischen Erfahrungen zu übernehmen, denn: »unsere Partei muss auf
denkende und nicht gezähmte Menschen bauen.« Und deswegen der Pep? Wird kommen, ist die »Granma«
sicher. Er sei bereits im Gange – mit Tausenden Bibliotheken, Kulturveranstaltungen, Hunderten Museen,
mit einer Zensur, die nur noch im äußersten Notfall eingreift. Überall werde getanzt,
gebe es Festivals des Balletts, des Buches, der abstrakten Malerei, des Raps und Funks. Und ohnehin:
Bildung für alle, Gesundheit für alle, Kultur und Sport für alle. Die »krankhafte
Besessenheit« von Betriebsleitern usw., Schranken gegenüber Journalisten zu errichten, die
Gesetzeswidrigkeiten oder Schludereien auf der Spur sind, werde wohl erst dann endgültig
verschwinden, wenn sich das neue Denken Platz verschafft hat. Die »Granma« leistet dazu ihren Beitrag.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 26.09.2009
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