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Washingtons Terrorpate
Luis Posada Carriles und die CIA: Jetzt veröffentlichte Geheimdokumente belegen Verbindungen zum US-Geheimdienst und Tätigkeiten in militanten exilkubanischen Gruppen
Auf den Tag genau 33 Jahre nach dem verheerenden Bombenanschlag auf eine DC-8 der kubanischen
Fluggesellschaft Cubana de Aviación am 6. Oktober 1976 veröffentlichte das unabhängige
National Security Archive an der George Washington University in Washington D. C. bislang unter
Verschluß gehaltene Dokumente über Luis Posada Carriles. Er ist einer der beiden
Hauptverantwortlichen für das Attentat. Die Dokumente enthalten neue Beweise für dessen
»Verbindungen zur Firma«, zum US-Geheimdienst CIA, und seine Rolle als Agent im Kreis militanter
exilkubanischer Gruppierungen. Die bisher geheimen Akten offenbaren den Namen seines
CIA-Führungsoffiziers Grover T. Lythcott, enthüllen seinen Decknamen AMCLEVE-15 und werfen ein
Licht auf seine Zusammenarbeit mit Jorge Más Canosa, bis zu seinem Tod im Jahr 1997 einer der
führenden exilkubanischen Contras in Miami. Más Canosa nahm 1961 an der Invasion in der
Schweinebucht, dem gescheiterten militärischenAngriff auf das revolutionäre Kuba, teil
und absolvierte anschließend eine Offiziersausbildung bei der US-Armee in Fort Benning, Georgia.
Er war Vorsitzender zahlreicher Wirtschaftsverbände, Honorarkonsul von Tel Aviv und Chefberater des
US-Propagandasenders Radio Martí.
Nachdem die Regierung von US-Präsident Ronald Reagan 1981 die Fundación Nacional
Cubano-Americana (FNCA – Kubanisch-amerikanische Nationalstiftung) auf der Basis einer Direktive des
Nationalen Sicherheitsrates der USA (NSC) gegründet hatte, wurde Más Canosa mit deren Aufbau
beauftragt. Unter dem Dach der Fundación sollten die Exilkubaner »mit einer Stimme« sprechen.
Hinter der Fassade einer gemeinnützigen Stiftung aber entfalteten die von der Fundación
geführten Kräfte den Kampf zum Sturz der kubanischen Regierung in ganzer Breite: von
Propagandaaktionen über Sabotage- bis hin zu Terrorakten.
Die CIA mußte die in den letzten Jahren vom National Security Archive veröffentlichten
Dokumente unter dem »Kennedy Assassination Records Act« freigeben. Für Peter Kornbluh, Leiter des
Kuba-Dokumentationsprojekts im National Security Archive, sind die bisher aufgedeckten Papiere nur ein
Anfang.
In einer Notiz von Posada aus dem Juli 1966 bittet dieser seinen CIA-Führungsoffizier Lythcott um
Erlaubnis, sich einer Koordinationsjunta von vier gewaltsam agierenden exilkubanischen Gruppen
anschließen zu dürfen. Eine davon ist die von Más Canosa geführte Kubanische
Vertretung im Exil (RECE). »Ich werde der Firma alle Geheiminformationen weitergeben, die ich sammeln
kann«, schreibt Posada. »Ich werde eine eher stabile Position zwischen den Exilanten einnehmen, was mir
für die Zukunft zu einer besseren Position verhilft, gute Arbeit für die Firma leisten zu
können.«
Die Dokumente belegen, daß Posada bereits seit Mitte 1965 für die CIA Berichte über
Más Canosas Aktivitäten verfaßt hat. Im Juli desselben Jahres meldet Posada, daß
er für eine Operation von Más Canosa gegen sowjetische und kubanische Schiffe im Hafen von
Veracruz, Mexiko, zwei Zehnpfünder-Haftminen gebaut hat, wofür er außer
Pentolite-Sprengstoff auch Stiftzünder verwendet.
In einem Aktenvermerk beschreibt Lythcott Posada als jemanden, »der nicht gerade ein Haudegentyp ist«,
sondern »sich der internationalen Implikationen schlecht geplanter oder übertrieben enthusiastischer
Aktivitäten gegen Kuba bewußt ist«. In Posadas CIA-Personalakte steht schon 1965, er sei
»streng antikommunistisch« und eigne sich »außerordentlich gut für eine verantwortliche zivile
Position in PBRUMEN (Codewort für Kuba), sollte die gegenwärtige Regierung stürzen«.
Sowohl CIA- als auch FBI-Geheimakten identifizieren Posada als einen der Hintermänner des
Bombenanschlags auf die Maschine des Fluges CU-455 der Cubana-Fluggesellschaft. Auch dabei sei ein
Stiftzünder eingesetzt worden. 1997 gibt Posada öffentlich seine Verbindungen zu einer Serie von
Bombenattentaten auf kubanische Hotels zu.
»Die Dokumente belegen, daß Posada sich über einen langen Zeitraum bei der CIA eingeschmeichelt
hat«, kommentiert Peter Kornbluh, »vielleicht, um sich dadurch auch einen gewissen Grad von Schutz zu
kaufen, weil er sich für diese Terrorkarriere engagiert hat.« Die CIA fordert er auf, »ihre gesamten
operativen Akten über Posada Carriles und seine Aktivitäten offenzulegen, um die Geschichte der
gegen die Castro-Regierung gerichteten Gewalt aufzuklären und den vielen Opfern Posadas Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen«.
Auf dem 15. Iberoamerikanischen Gipfeltreffen 2005 hatten die teilnehmenden Staaten in einer Resolution
von den USA gefordert, Posada Carriles für die ihm angelasteten Attentate vor Gericht zu stellen. Auf
einem internationalen Solidaritätstreffen für die »Cuban Five« sagte der Präsident der
Nationalversammlung Kubas am 2. Mai 2007 in Havanna: »Der beste Beweis für die Unschuld unserer
fünf Landsleute, die unrechtmäßig in Gefängnissen der USA eingesperrt sind, ist
Posada Carriles, dessen Freilassung in skandalöser Art gegen die vom Imperium selbst verkündeten
Gebote seines vermeintlichen Kampfes gegen den Terrorismus verstößt«.
Die Regierung von Hugo Chávez in Venezuela wirft den Vereinigten Staaten angesichts der Tatsache,
daß sich dieser Terrorist in Freiheit befindet, während die »Cuban Five« wegen ihrer
Kundschaftertätigkeit gegen Exilkubaner vom Schlage Posadas und Boschs seit zwölf Jahren in
Haft sitzen, eine »Doppelmoral in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terrorismus« vor. Sie verlangt die
Auslieferung Posadas.
* Die Dokumente im Internet: George Washington University
Jürgen Heiser
Junge Welt, 10.10.2009
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