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Kuba widersteht
Die globale Finanzkrise erschwert die Anstrengungen, die in der Spezialperiode entstandenen Ungleichheiten zu beseitigen


Kuba gehe das Toilettenpapier aus und eine "Rückkehr der Spezialperiode" stehe bevor. Auf dem vermeintlichen Höhepunkt der globalen Finanzkrise zu Beginn des Jahres sagten internationale Mainstreammedien zum wiederholten mal den Niedergang des kubanischen Sozialismus voraus. Mitte Oktober prophezeite der Spiegel gar eine "Harte Landung" und "eine Abkehr von der sozialistischen Ideologie", weil, "das Leistungsprinzip eingeführt" werden solle (Spiegel, 43/2009). Derartige Prognosen hatten sich schon vorher als falsch erwiesen. Trotzdem bleibt die Frage, wie stark das Land tatsächlich von den Erschütterungen der Weltwirtschaft getroffen wurde und wird.

Tatsache ist, daß Kuba nach der Zeitenwende um das Jahr 1990 und dem plötzlichen und unerwarteten Wegfall seiner osteuropäischen Haupthandelspartner aus dem RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) gezwungen war, die bis dato fast zum Erliegen gekommenen wirtschaftlichen Beziehungen zu den kapitalistischen Staaten Westeuropas wieder zu beleben. Nur so war es möglich, die so dringend benötigten Devisen zu erwirtschaften.

Zudem wurden im Laufe des Jahrezehnts auch die Kontakte zu China und weiteren Schwellenländern wie Brasilien – später auch Rußland – intensiviert und umfangreiche Handelsverträge sowie Joint-Venture-Abkommen geschlossen. Und obgleich die völkerrechtswidrige Blockade der Vereinigten Staaten von Amerika in den neunziger Jahren zweimal erheblich verschärft wurde und bis heute auch unter Präsident Barack Obama nahezu unverändert fortbesteht, ist Kuba aufgrund seiner vielfältigen Wirtschaftskontakte Teil der globalen Ökonomie. Es bleibt demzufolge auch von ihren Krisen nicht verschont.

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise des globalen Kapitalismus trifft Kuba angesichts gesunkener Rohstoffpreise vor allem in den wichtigen Exportsektoren Nickel und Kobalt sowie im Bereich Tourismus. Zwar wurde die Zahl der ausländischen Besucher im Vergleich zum Vorjahr erneut übertroffen; allerdings geben die Touristen nun insgesamt weniger Geld in Kuba aus, so daß im Staatshaushalt Hunderte Millionen Dollar fehlen. Geld, das eigentlich dringend benötigt wird, um die aufgrund der Hurrikanschäden des vergangenen Jahres – sie werden auf über zehn Milliarden Dollar geschätzt – aufgetretene Ernteausfälle mit teuren Nahrungsmittelimporten zu kompensieren.

Um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung aber nicht zu gefährden und die nötigen einfuhren realisieren zu können, hat sich die revolutionäre Regierung entschlossen, umfangreiche Energiesparmaßnahmen einzuleiten. Sie sollen dazu beitragen, wertvolle Devisen zu sparen. So existiert seit September eine Verordnung, die besagt, daß alle staatlichen Institutionen, Ministerien, Unternehmen und Geschäfte ihren Stromverbrauch bedeutend zu reduzieren haben. Zudem wurden in der Hauptstadt die Taktzeiten des öffentlichen Nahverkehrs verändert, so daß momentan nur ein engeschränkter Busverkehr existiert.

Stromabschaltungen bilden heute die absolute Ausnahme, Privathaushalte sind allenfalls peripher von den Sparmaßnahmen betroffen; im Gegenteil scheinen die Geschäfte und Einkaufszentren gefüllter denn je und die Kauflaune besonders in Havanna bezüglich langer Zeit kaum zu erwerbender elektronischer Geräte ungebrochen zu sein. Aus ökonomischer Sicht ist die Lage keinesfalls besorgniserregend oder gar dramatisch; Vergleiche mit der Spezialperiode, in der es an allem fehlte und das Land wirtschaftlich faktisch am Boden lag, sind nicht angebracht.

Obgleich Kuba und dessen Regierung also gewillt und bis dato in der Lage sind, die finanziellen Einbußen durch Sparmaßnahmen im staatlichen Sektor, die den Endverbraucher letztlich nur wenig tangieren, auszugleichen, ist allerdings die gesamtökonmische Situation weiter angespannt. So existieren nach wie vor zwei verschiedene Währungs- und Wirtschaftskreisläufe. Diese haben zu einer Ausdifferenzierung der einst egalitären kubanischen Gesellschaft, wie sie die Revolution hervorbrachte, geführt. Jene Bevölkerungsgruppe, die im lukrativen Devisensektor arbeitet oder Auslandsverwandschaft besitzt, die in der Lage ist regelmäßig Geldtransfers zu realisieren, zählt heute zur Schicht der Privilegierten.

Der Großteil der 11,2 Millionen Einwohner Kubas, der im Peso-Sektor tätig ist, oder Renten sowie sonstige staatliche Leistungen bezieht, kann von den neuen Konsummöglichkeiten indessen nur begrenzt profitieren. Die gesellschaftliche Sprengkraft, die diese Situation mit sich bringt, stellt heute eine der größten Herausforderungen für den kubanischen Sozialismus dar. Die Brisanz ist seit längerem erkannt. Konzepte wurden diskutiert und weiterentwickelt. Eine Reihe von politökonomischen Maßnahmen wurden ergriffen und ideologische Kampagnen ins Leben gerufen.

Gegenwärtig wird über das Thema der Verteilungsgerechtigkeit und die Zukunft des staatlichen Lebensmittelbezugsheftes Libreta sowie über die Perspektiven für eine einheitliche Währung diskutiert. Weitreichende Entscheidungen werden dabei vom Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) erwartet, der im kommenden Jahr die Weichen für die Zukunft stellen soll.

Außenpolitische hält die Regierung weiter an ihrem aktiven Kurs fest und unterhält mit einer Vielzahl von Staaten zum Teil gute und freundschaftliche Beziehungen. Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext die Staaten des sogenannten ALBA-Bündnisses. Ohne deren wirtschaftliche und vor allem auch politische Unterstützung könnte Kuba nur schwer dem Druck von USA und auch von EU standhalten.

junge Welt Steffen Niese, Havanna
Junge Welt, 04.11.2009









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