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Weißblaue Fahnen auf der Zuckerinsel
Die bayerische Wirtschaft hat einen guten Stand auf Kuba. Durch das US-Embargo gibt es auch weniger Konkurrenz
In München geht einer Woche das Festival FICCU (Internacional Cine Cubano) über die Bühne
und bietet einen internationalen Blick auf Kuba. Bis zum 7. November werden deutsche, kubanische und
internationale Künstlerinnen und Künstler mittels Filmen, Ausstellungen und Konzerten
miteinander ins Gespräch gebracht. Doch längst hat sich die kubanisch-bayerische Zusammenarbeit
über den kulturellen Austausch hinaus auch auf wirtschaftlichem Gebiet etabliert.
»Ballack«, sagt der kleine Kerl auf seinem Fahrrad, mit dem er die Hauptstraße in der
Provinzhauptstadt Santa Clara entlangfährt. »Ballack« und »FC Bayern« wiederholt er grinsend,
während er in die Pedale tritt. Selbst auf Kuba kennen fußballbegeisterte Buben die
weißblaue Mannschaft. Dabei ist der kubanische Nationalsport doch eigentlich Baseball.
Szenenwechsel in das 200 Kilometer westlich gelegene Havanna, der Hauptstadt der Zuckerrohrinsel. Die
Zwei-Millionen-Stadt ist ein faszinierender Schmelztiegel, in dem sich Architekturstile, Rassen,
Religionen und Musikstile zu einem aufregenden Cocktail vermischen. Neben den bereits renovierten
Palästen aus der spanischen Kolonialzeit finden sich noch immer Straßenzüge, die vom
Verfall gezeichnet sind. Aus den Kneipen und Bars dringt Salsa-Musik, während draußen die alten
amerikanischen Limousinen vorbeirumpeln – wegen dem US-Embargo seit den 1960er Jahren gibt es keine
Ersatzteile mehr.
Bier und BMW
Man steht herum, spielt Schach, plaudert oder repariert ein kaputtes Auto auf der Straße. In kleinen
Ständen wird belebender Zuckerrohrsaft verkauft und immer wieder knattern alte russische
Motorräder mit Seitenwagen vorbei. Und inmitten all diesen Trubels gibt es hin und wieder dezente
Hinweise auf bayrisch-kubanische Wirtschaftsbeziehungen. Zum Beispiel die Bar mit den beiden Türmen
der Münchner Frauenkirche als Neonreklame, »Bavaria« steht daneben und es geht natürlich um
Bier. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass gleich um die Ecke eine Verleihstation von BMW zu finden
ist. Die Modelle des bayerischen Autobauers sind hier ähnlich exklusiv, wie es ein mit Blattgold und
Diamanten versehener Rolls-Royce in München wäre. Die Kundschaft, so ist zu vermuten, kommt wohl
aus dem nahegelegenen Nacional-Hotel, dem ehrwürdigsten Hotel von ganz Havanna, in dem die
internationalen Gäste absteigen.
Doch wer genau wissen will, wie es steht mit den bayerisch-kubanischen Beziehungen, der kann zum Beispiel
Friedrich Eisenhauer fragen, etwa auf der »Informatica«, eine Informatik-Messe in der kubanischen
Hauptstadt. Der 43-Jährige zeigt dort seine elektronischen Bauteile und ist umringt von
wissbegierigen jungen Kubanern und auch von kubanischem Militär.
Lohn auf Umwegen
»Es läuft ganz gut hier, man muss sich sehen lassen«, sagt er. Seit 2002 vertritt Eisenhauer hier auf
der Zuckerinsel unter dem Firmennamen Fecom S.A. die bayerische Firma Kathrein aus Rosenheim, vorher
arbeitete er für Siemens in Miami. Als Angestellter wurde es ihm dort allerdings zu langweilig und
weil er Kuba schon kannte, machte er sich im Jahr 2000 hier selbstständig.
»Unternehmer hier auf Kuba, das ist schon eine Herausforderung«, erinnert er sich. Zwei Jahre später
gründete er zusammen mit der Rosenheimer Firma die Fecom, ein Unternehmen, das auch in der
kubanischen Handelskammer eingetragen ist. Kathrein produziert Kommunikations-Anlagen, zum Beispiel
für den Mobilfunk, für den Satellitenempfang, für terrestrisches Digital-Fernsehen,
für Breitbandnetze. Neulich haben sie eine Antenne für Fernsehempfang auf dem Dach der deutschen
Botschaft in Havanna montiert.
»Wir haben hier auf Kuba einen guten Stand«, sagt Eisenhauer, er liefert den staatlichen Firmen die
technischen Komponenten für die Kommunikationsanlagen und die Beratung. So will Kuba jetzt das
erdgestützte Digital-Fernsehen einführen, und dabei geht es auch um den genutzten
europäischen Standard. Denn angesichts des seit Langem bestehenden Wirtschafts-Boykotts durch die
nahen USA haben es europäische Firmen sozusagen nur noch mit asiatischen Mitbewerbern zu tun. Und es
geht nicht nur um den kubanischen Markt, sondern auch um Märkte in Lateinamerika. Denn das – von
Zuckerrohr und Nickel abgesehen – ressourcenarme Land exportiert zusehends soziale und technische
Fähigkeiten. Zum Beispiel Ärzte nach Venezuela, aber Kuba wird dort auch federführend bei
der Einführung von Telekommunikationssystemen sein. Gerade wurde auf der Insel, um nicht vom
amerikanischen Windows-System abhängig zu sein, ein eigenes Linux-Betriebssystem für Computer
eingeführt.
Eisenhauer beschäftigt in der Firma zwei Mitarbeiter, den Lohn von je rund 800 Euro zahlt er in
Devisen an eine staatliche Firma. Von der werden dann die Arbeiter in heimischen Pesos bezahlt, was einen
Gegenwert von vielleicht 20 Euro entspricht.
Vor einigen Jahren hatte sich auf Kuba auch Hans Spitzner, damals Staatssekretär im bayerischen
Wirtschaftsministerium, sehen lassen. Er reiste mit Aufträgen für die bayerische Wirtschaft in
Höhe von über 500 Millionen Euro zurück. Im Gegenzug besuchte im November 2006 Castros
Sohn, Fidel Castro Diaz-Balart, an der Spitze einer Handelsdelegation den weißblauen Freistaat.
Sehr gute Zahlungsmoral
Kuba ist wirtschaftlich an einer Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Umwelt, Transport und Biotech
interessiert, für die bayerische Wirtschaft wiederum ist die sehr gute Zahlungsmoral der kubanischen
Seite ein Pluspunkt. So liefert MAN Dieselmotoren auf die Zuckerinsel oder eben Kathrein die
Antennenanlagen für die Telekommunikation. Auch BMW ist wie erwähnt auf der Insel vertreten,
aber nicht nur dort. Auch die rund 90 diplomatischen Vertretungen Kubas auf der ganzen Welt sind
mittlerweile mit Fahrzeugen der weißblauen Autobauer ausgestattet.
Aber nicht nur die bayerisch-kubanischen Wirtschaftsbeziehungen florieren, nein, auch kulturelle Bande
wurden schon vor dem FICCU-Festival von bayerischer Seite aus geknüpft. »Vom Zwiefachen zum Salsa«
lautet das musikalische Motto der »CubaBoarischen«. Die Band kommt aus Rosenheim, wo man auch den
Zwiefachen tanzt, und hat eine Neigung zu karibischen Rhythmen. Klar, dass die acht bayerischen Musiker
auch schon in Kuba aufgetreten sind – in der dortigen deutschen Botschaft.
Rudolf Stumberger
Neues Deutschland 05.11.2009
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