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Kontrolleurin
Gladys Bejerano Portela / Kämpferin gegen die Korruption rückte in Kubas Staatsspitze auf
Die Wahl Gladys Bejerano Portelas zur Vizepräsidentin des Staatsrates Kubas ist vor allem eine
politische Aussage: Die 62-jährige Sozialwissenschaftlerin ist nämlich nicht nur seit drei
Jahrzehnten Mitglied der regierenden Kommunistischen Partei Kubas. Bejerano ist vor allem Vorsitzende der
erst im Sommer geschaffenen Obersten Rechnungsprüfungsbehörde, eines Amtes zur Bekämpfung
der Korruption.
Während der vorangegangenen Sitzung der Nationalversammlung Anfang August war Bejerano, Abgeordnete
aus der ostkubanischen Provinz Guantánamo und bereits seit Mai 2006 Ministerin für
Wirtschaftsprüfung und Kontrolle, einstimmig zur Vorsitzenden der neuen Kontrollinstanz mit Filialen
in allen Provinzen gewählt worden. Ihre Aufgabe bestehe darin, »die schöpferische Arbeit, das
sozialistische Eigentum und die materiellen und finanziellen Ressourcen des Staates zu schützen«,
hieß es damals. Die Schaffung der Behörde, sagte Parlamentspräsident Ricardo
Alarcón, solle zur Rettung der Revolution beitragen. Denn seit dem Sturz der Batista-Diktatur 1959
versuche der Imperialismus, »die Revolution durch die Plünderung von Ressourcen zu zerstören«.
Dass gerade die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seit Anfang der 90er Jahre den Ressourcenmissbrauch in
Kuba angeheizt haben, ist kein Geheimnis. Bereits Mitte Oktober 2005 ließ Fidel Castro die
Tankstellen des Landes von jugendlichen Aktivisten übernehmen, weil zu viel Treibstoff abhanden
gekommen war. Die Aktion wurde von der kubanischen Presse aufmerksam begleitet.
Bejeranos Ernennung zur »Generalkontrolleurin« und ihre Wahl in die Spitze des Staatsrates zeigen, dass
Raúl Castro das Korruptionsproblem weiterhin als Chefsache behandelt. In den vergangenen Monaten
schon hat Bejeranos Behörde eng mit dem Staatsrat und der Nationalversammlung zusammengearbeitet. Auf
der Internetseite ihres Amtes findet sich an prominenter Stelle ein Verhaltenskodex für staatliche
Funktionäre. Ein politischer Posten, heißt es dort, »erfordert moralische Werte und ein klares
Pflichtbewusstsein im täglichen Handeln«. Auch die Bewahrung dieser Moral sei eine Errungenschaft der
Revolution.
Harald Neuber
Neues Deutschland 22.12.2009
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