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Geld oder Gesundheit
Obamas Reform dient nur der Wohlstandsversorgung einer Minderheit und den Konzernkassen


Anläßlich der kürzlich erfolgten mehrheitlichen Zustimmung des US-Kongresses zur Gesundheitsreform der Obama-Regierung hallte ein theatralisch inszenierter Entsetzensschrei durch das Land. Dies sei purer Sozialismus, schrien reaktionäre und neokonservative Gegner der verwässerten Reform des Krankenversicherungswesens. Ungewollt erinnerten sie damit an eine einschneidende Erfahrung des Gewerkschafters, Journalisten und Internationalisten John Black, der in den 1970er und 1980er Jahren als Präsident der Dienstleistungsgewerkschaft Retail, Wholesale and Department Store Union (RWDSU) im Bundesstaat Pennsylvania zahlreiche Arbeitskämpfe im Gesundheitswesen organisiert hat.

Als glühender Unterstützer der kubanischen Revolution beteiligte sich der 1921 geborene Black noch als über 75jähriger an der Arbeit der Venceremos-Brigaden, mit denen ausländische Unterstützer Jahr für Jahr solidarisch in der kubanischen Landwirtschaft halfen und unter anderem die Zuckerrohrernte mit einbrachten. Bei einem seiner Einsätze forderten die tropische Hitze, die harte Arbeit oder beides zusammen ihren Tribut von Black. Er wurde in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht und erfuhr dort, was er als »hervorragende Heilbehandlung« lobte. Als es ihm wieder besser ging und er entlassen werden sollte, zog er ein paar Scheine aus seiner Geldbörse und wollte bezahlen. Der behandelnde Arzt schaute ihn ungläubig lächelnd an und forderte ihn auf, sein Geld wieder einzustecken. »Wir haben Ihnen geholfen, weil sie krank waren«, erklärte der Arzt, »und nicht wegen des Geldes.« Diese erste Erfahrung mit einer sozialistischen Medizin beeindruckte Black nachhaltig.

An dieser Begebenheit ist zusätzlich erstaunlich, daß Black diese Erfahrung während der »speziellen Periode« in Kuba machte. Es war eine Zeit großer wirtschaftlicher Probleme, weil der wichtigste Handelspartner Kubas, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, nach ihrer Auflösung mit ihren Tauschgeschäften – beispielsweise Öl gegen Zucker – entfiel und die neu entstandene Russische Förderation harte Währung für Warenlieferungen verlangte.

2006 verfügte Kuba über ein Bruttosozialprodukt von 45 Milliarden US-Dollar, vergleichbar etwa mit der Republik Kongo oder dem Sultanat Oman. Das Bruttosozialprodukt erfaßt den auf ein Kalenderjahr bezogenen Marktwert von Waren und Dienstleistungen eines Landes. Das Bruttosozialprodukt der USA lag im Jahr 2007 bei rund 13 Billionen US-Dollar. Das sind 13 000 Milliarden. Aber während in den USA nach offiziellen Statistiken über 40 Millionen Menschen nicht krankenversichert sind und auch viele der Versicherten sich im Krankheitsfall die horrenden Zusatzkosten der Behandlung nicht leisten können, stellt Kuba seinen Bürgern und Gästen eine kostenlose medizinische Versorgung zur Verfügung.

Das reichste Land in der Menschheitsgeschichte konnte jetzt keine wirkliche Einigung darüber erzielen, all seinen Bürgern eine gute und angemessene medizinische Versorgung zu bieten, und es leistet sich einen monatelangen und noch lange nicht beendeten öffentlichen Streit, in dem es eigentlich nur um die Interessen der Konzerne der Versicherungs- und Pharmaindustrie geht.

Kuba jedoch als wirtschaftlich weitaus schwächeres Land stellt nicht nur der eigenen Bevölkerung eine freie und für alle im gleichen Maße gültige medizinische Versorgung zur Verfügung, sondern es entsendet seine gut ausgebildeten Ärzte und medizinisches Personal kostenlos auch in arme und Entwicklungsländer auf allen Kontinenten. Weltweit sind mehr kubanische Ärzte im Einsatz als sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Nationen im Rahmen ihrer Hilfsprogramme ausschickt.

Das Gerede über die Health Care genannte Gesundheitsversorgung in den USA sollte endlich aufhören, und sie sollte als das bezeichnet werden, was sie tatsächlich ist: »Wealth Care« – die Wohlstandsversorgung für eine Minderheit, von der nur die Konzerne wirklich etwas haben.

junge Welt Mumia Abu-Jamal
(Übersetzung: Jürgen Heiser)
Junge Welt, 02.01.2010









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