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Kubas Planer setzen den Rotstift an
2010: Mehr sparen und mehr produzieren
Die Kubaner haben das neue Jahr ungewohnt ruhig begonnen, fast melancholisch und beschaulich trotz des
gegrillten Schweinefleischs überall und der Trommeln zur Nacht, denn es ist ihnen von ihrem
Präsidenten Raúl Castro prophezeit worden, dass dieses 2010 wieder kein Zuckerlecken sein
wird.
Kubas Generallinie für 2010 ruht auf zwei Pfeilern: Sparen um jeden Preis und Produzieren was geht.
Das Ziel ist, in absehbarer Zeit – 2011 oder 2012? – alles von der Importliste zu streichen, was im Land
angebaut und produziert werden kann. Auch jetzt schon haben die neuen Planer den Rotstift nach dem
Gesichtspunkt angesetzt, dass alles, was nicht überlebensnotwendig ist, zunächst weichen muss.
Über den Liquiditätsmangel der kubanischen Regierung wird allenthalben spekuliert. Dass der
Staat knapp bei Kasse ist, liegt auf der Hand, doch ist da nicht auch ein wenig Taktik im Spiel? Kuba hat
immerhin in den vergangenen drei Monaten sechs Milliarden Dollar an Krediten von Venezuela, China und
Russland zugesprochen bekommen. Damit sollen tragende Säulen der heimischen Wirtschaft gestärkt
werden: Erdöl, Nickel, das heute 80 Prozent weniger wert ist als vor zwei Jahren, Landwirtschaft und
Tourismus.
Die »Granma« veröffentlichte unlängst einen Leserbrief unter der Überschrift »Ein
Kriterium, das wir debattieren müssen«. Da heißt es: »Seit der kubanische Staat den Kleinhandel
und die Kleingewerbetreibenden 1968 nationalisiert hat, sind diese Bereiche nach und nach Quellen
für Illegalität, Diebstahl von Staatseigentum, Unwirtschaftlichkeit und schlechte Behandlung
(der Kunden) geworden ... Fürs Stehlen hat man sogar den Euphemismus ›kämpfen‹ erfunden. Wir
sollten keine Angst vor dem Kleingewerbe haben, solange ein sozialistischer Staat existiert, der seinen
Anforderungen nachkommt.« Der Präsident des kubanischen Wirtschafts- und Sozialrates im
Umweltministerium, Miguel Limia, plädiert für die schnellstmögliche Beseitigung der
Gleichmacherei, denn damit »haben wir den Parasiten gefördert, der vom Staat alles erwartet und
selbst nichts beisteuert«.
Außenpolitisch bemüht sich Kuba um bessere Beziehungen zu den USA. Präsident Barack Obama
ist von der kubanischen Seite eine Behandlung widerfahren wie keinem anderen Präsidenten vor ihm.
Man hat ihm Zeit gelassen, hat unterschieden zwischen dem Privatmann Obama und dem Präsidenten der
USA. Fidel und Raúl Castro widmeten sich ihm in perfekter Arbeitsteilung: Raúl pragmatisch,
Fidel mit behutsamen, irgendwie sogar verständnisvollen Kommentaren (Barack Obama ist ein Teil des
imperialistischen System, gegen das er nicht ankommt). Doch lässt der ehemalige Präsident Kubas
allmählich erkennen, dass für ihn die Schonfrist nach und nach abläuft.
In Havanna ist man sich unsicher, ob Obama tatsächlich ein Getriebener ist oder nicht doch ein
Großteil seiner letzten Handlungen auf seine Kappe geht. Ein paar krasse Beispiele auf Kuba bezogen:
Obama hat Havanna wieder wie Bush in die Liste der Terrorstaaten aufgenommen, was die »Washington Post«
als »lächerlich« bezeichnet. Obama hatte nicht den Mut, die fünf angeblichen Spione »Miami
Five« zu begnadigen, nachdem im Berufungsverfahren die höchsten Strafen heruntergesetzt wurden. An
der Blockade kratzte er nur, anstatt sie ernsthaft abzubauen.
Raúl Castro wiederholt in periodischen Abständen, dass Washington und Havanna über alles
verhandeln könnten, wenn »kein Schatten auf die Souveränität Kubas fällt«. 2010 hat
gerade erst begonnen. Im Vergleich zu George Bushs aggressivem Radaukurs mäßigte die Regierung
Obamas (mit Ausnahme von Frau Clinton) den Tonfall. Das lässt noch immer andere Optionen offen.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 11.01.2010
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