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Für Mumia Abu-Jamal geht es jetzt um Leben oder Tod
Der Oberste Gerichtshof der USA entscheidet derzeit im Fall des amerikanischen Bürgerrechtlers und Journalisten
Der Rechtsanwalt Robert R. Bryan ist Hauptverteidiger des afro-amerikanischen Bürgerrechtlers und Journalisten Mumia Abu-Jamal, der 1982 in Philadelphia (Pennsylvania) wegen angeblichen Polizistenmordes zum Tode verurteilt wurde. Bryan ist als Anwalt zugelassen an den Obersten Gerichten der USA sowie mehrerer Bundesstaaten und war Vorsitzender der Nationalen Koalition gegen die Todesstrafe. Er lebt in San Francisco (Kalifornien). Am Wochenende nahm Bryan an der Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz teil. Dort sprach mit ihm Birgit Gärtner.
ND: Derzeit hat der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, über den Fall Mumia Abu-Jamal zu entscheiden. Was genau wird dort verhandelt?
Bryan: Der Supreme Court hat über nicht mehr und nicht weniger als Leben oder Tod meines Mandanten zu befinden. Hintergrund ist eine Entscheidung des 3. Bundesberufungsgerichts Philadelphia vom 27. April 2008. Die aus drei Richtern bestehende Kammer verfügte mit einem Stimmenverhältnis von zwei zu eins, dass es kein neues Verfahren geben wird, sondern lediglich über das Strafmaß – lebenslange Haft oder Todesstrafe – entschieden werden soll. Dagegen habe ich Berufung beim Supreme Court eingelegt. Der Oberste Gerichtshof bestätigte jedoch am 6. April 2009 das Votum des 3. Bundesberufungsgerichtes, so dass die Möglichkeit eines neuen, fairen Verfahrens vom Tisch ist.
Die Staatsanwaltschaft Pennsylvania beantragte nach der Entscheidung in Philadelphia beim Supreme Court die Todesstrafe für Mumia Abu-Jamal. Darüber haben die Richter jetzt zu befinden.
Was heißt das konkret?
Der ganze Fall ist äußert kompliziert und schwierig zu erklären. Grundsätzlich können die Richter dem Antrag folgen, sie können ihn aber auch ablehnen. Damit wäre aber die Gefahr der Hinrichtung für meinen Mandanten nicht gebannt, denn dann entscheidet das Gericht in Philadelphia, und zwar nur über das Strafmaß, im Zweifelsfalle also für die Todesstrafe.
Möglich ist aber auch, dass es zu einem Geschworenenprozess in Philadelphia kommt. Das wäre quasi ein komplett neues Verfahren, mit einer neu bestimmten Geschworenen-Jury, in dem wir neue Beweise, neue Zeugen und anderes einbringen könnten. Allerdings wird am Ende trotzdem die Verurteilung lebenslange Haft oder Todesstrafe stehen.
Wann rechnen Sie mit der Entscheidung des Supreme Court?
Täglich. Deshalb ist es so wichtig, jetzt gut vorbereitet zu sein. In den nächsten Tagen wird eine Online-Petition an Präsident Barack Obama gestartet, in der er aufgefordert wird, sich gegen die Todesstrafe auszusprechen und sich den Fall Mumia Abu-Jamal noch einmal genauer anzusehen. Obama kann zwar Mumia nicht begnadigen, das kann nur der Gouverneur von Pennsylvania, Ed Randall, aber Obamas Wort kann großen Einfluss auf die Entscheidung haben.
Weltweit bereiten Mumia-Solidaritätsgruppen Protestaktionen vor. Diese Proteste sind enorm wichtig, auch wenn der Supreme Court den Antrag auf Todesstrafe ablehnt.
Welche Bedeutung hat die praktische Solidarität für Mumia? Bekommt er im Todestrakt überhaupt mit, wie viele Menschen sich für seine Freilassung einsetzen?
Es ist unglaublich, was Mumia im Todestrakt alles mitbekommt, wenn Sie bedenken, unter welchen Bedingungen er zu leben gezwungen ist. Er hat zum Beispiel keinen Zugang zum Internet. Trotzdem gelingt es ihm, politisch auf dem Laufenden zu bleiben und sich durch Radio- und Zeitungskolumnen aktiv einzumischen.
Die Solidarität bekommt er unter anderem durch Post zu spüren. Aber er ist auch informiert, wo auf der Welt Menschen praktische Solidarität üben. Allerdings begreift er diese Solidarität nicht als persönliche Zuwendung, sondern als Unterstützung im Kampf gegen die Todesstrafe weltweit und die Haftbedingungen.
Trotzdem ist es unheimlich wichtig für ihn zu wissen, dass er nicht allein da steht. Kürzlich rief er mich an, als ich auf der Bühne bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung »junge Welt« stand. Ich erklärte ihm, wo ich gerade bin, und dem Publikum, wer am anderen Ende der Leitung ist. Sofort brandete minutenlanger tosender Beifall auf, der so bis zu ihm in den Todestrakt durchdrang. Er war so gerührt, dass ihm die Tränen liefen.
Informationen zu den Protesten:
www.mumia-hoerbuch.de
Stellungnahme von Robert Bryan unter:
www.freedom-now.de
Neues Deutschland, 13.01.2010
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