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Eine Alternative zur herrschenden Weltwirtschaftsordnung
ALBA lässt eine Utopie Wirklichkeit werden


Fünf Jahre ALBA– TCP: Am 13. und 14. Dezember 2009 zogen die Regierungschefs der mittlerweile neun Mitgliedsstaaten der "Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerikas – Handelsvertrag der Völker (ALBA– TCP)" in Havanna nicht nur Bilanz, sondern verabredeten auch eine Vielzahl neuer Kooperationsabkommen.

ALBA– TCP wurde im Dezember 2004 unter dem Namen "Bolivarianische Alternative für die Völker unseres Amerika" durch Venezuela und Kuba ins Leben gerufen – als Alternative zur seinerzeit von der US-Regierung geplanten Gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA), die 2005 auf dem amerikanischen Gipfeltreffen im argentinischen Mar del Plata endgültig am Widerstand der sozialen Bewegungen Lateinamerikas und der von ihnen getragenen linken Regierungen scheiterte.
ALBA–TCP ist die Antwort auf das Scheitern neoliberaler Wirtschafts- und Entwicklungsstrategien, die EU und USA in den letzten 25 Jahren in Lateinamerika durchgesetzt hatten, und gibt einem neuen Selbstbewusstsein und einem verstärkten Unabhängigkeitsstreben in Lateinamerika Ausdruck. Damit ist den Projekten der Europäischen Union und der USA zur wirtschaftlichen Integration mit Lateinamerika im Rahmen von Freihandelsabkommen (Nord-Süd-Integration) eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen (Süd-Süd-Integration).

Neben Kuba und Venezuela gehören dem Verbund sieben weitere Mitglieder an: Bolivien, Nicaragua, Ecuador, Honduras und die Karibik-Inseln Dominica, Antigua und Barbuda sowie St. Vincent and The Grenadines. Durch Kooperationsabkommen sind weitere Staaten Lateinamerikas mit ALBA– TCP verbunden.
Im Mittelpunkt steht die Energieintegration: Im Rahmen von PetroCaribe und weiterer Energieabkommen werden Öllieferungen zu Vorzugspreisen und viele gemeinsame energiebezogene Wirtschaftsprojekte in den beteiligten Staaten realisiert. 17 Karibik-Anrainer beziehen preisgünstige Öllieferungen aus Venezuela.

Die Abrechnung der Lieferungen erfolgt über eine flexible Skala, die sich am Weltmarktpreis orientiert: Bei einem Preis von 100 US-Dollar pro Fass werden 50 Prozent über einen Kredit mit 25 Jahren Laufzeit und einem Prozent Zinsen finanziert. Liegt der Ölpreis bei 50 US-Dollar, werden auf diese Weise 40 Prozent, bei 40 US-Dollar 30 Prozent der Lieferung finanziert. Abgerechnet werden kann auch über die Lieferung von Waren und Dienstleistungen. Gegenwärtig liefert Venezuela insgesamt weit über 200 000 Fass Öl täglich in die Region.
Ein Teil der durch die Vergünstigung erzielten Ersparnis fließt in den ALBA-Caribe-Fonds, aus dem wiederum Infrastruktur-Projekte und soziale Programme in Haiti, Nicaragua und Bolivien, den ärmsten Staaten der Region, finanziert werden. Im Rahmen von ALBA– TCP werden in zahlreichen Ländern hohe Investitionen getätigt, um Raffinerien zu errichten und Verarbeitungskapazitäten auszubauen.
So wird die Raffinerie im kubanischen Cienfuegos, die 14 Jahre lang stillgelegt war, mit einer Gesamtinvestition von 1,5 Mrd. US-Dollar wieder in Betrieb gesetzt. Nach Abschluss der zweiten Bauphase soll sie eine Kapazität von über 100 000 Fass pro Tag erreichen.

In Ecuador wird eine Raffinerie mit einer Kapazität von 300 000 Fass, in Nicaragua eine mit 150 000 Fass pro Tag errichtet. Verwirklicht werden die Projekte durch staatliche binationale Energieunternehmen, jeweils unter Beteiligung des venezolanischen Staatskonzerns PDVSA.
Mittlerweile hat ALBA– TCP seine Aktivitäten auf eine ansehnliche Zahl weiterer Handlungsfelder ausgedehnt: von einer gemeinsamen Kultur- und Wissenschaftspolitik über Programme zur Förderung von Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit bis hin zum Aufbau einer neuen Finanzarchitektur. Um von den herkömmlichen internationalen Geberstrukturen unabhängig zu werden und sich deren neoliberalen Konditionen zu entziehen, wurde 2007 die Entwicklungsbank "Banco del ALBA" gegründet.

In ihr hat – anders als bei IWF und Weltbank – jedes teilnehmende Land dasselbe Stimmrecht, unabhängig von der Höhe der Kapitaleinlage. Für 2010 bereiten die ALBA-Regierungen die Schaffung einer gemeinsamen Währung, des "Sucre", vor. Derzeit leisten 32 000 Ärztinnen und Ärzte aus Kuba im Rahmen der sozialen Missionen "Barrio Adentro" einen wichtigen Dienst an den Teilen der venezolanischen Bevölkerung, die bislang ohne Zugang zu ärztlicher Versorgung waren – in den Slums von Caracas genauso wie in abgelegenen ländlichen Regionen.
Ihre Gehälter werden im Rahmen der kubanisch- venezolanischen Kooperation abgerechnet. Kubanische Ärztinnen und Ärzte halten in vielen Ländern Lateinamerikas die medizinische Grundversorgung aufrecht.

Kuba bildet im Rahmen eines Stipendien Programms Medizinerinnen und Mediziner aus ganz Lateinamerika aus. Diese solidarische Hilfe ist Teil des ALBA-Systems, in das jedes Land das einbringt, was ihm zur Verfügung steht, und in dem der Schwächere vom Stärkeren profitiert. Die Kooperation zwischen Kuba und Venezuela spielt eine zentrale Rolle für das Gesamtsystem.

Die Zahl der Kooperationsabkommen zwischen den beiden Staaten wuchs von 15 im Gründungsjahr der ALBA auf derzeit fast 300 an. Auf dem Gipfeltreffen in Havanna wurde die Kooperation noch vertieft. Kuba und Venezuela verabredeten neue Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 3 Mrd. US-Dollar – von der gemeinsamen Ölexploration vor der kubanischen Küste bis hin zu weiteren Handelsabkommen.

ALBA– TCP hat in kurzer Zeit viele konkrete Erfolge für die teilnehmenden Länder erzielt und ist deshalb auch für Länder außerhalb Lateinamerikas ein attraktiver Kooperationspartner, Russland erwägt gar die Mitgliedschaft. Andererseits spielen die ALBA-Länder eine wichtige Rolle in anderen Integrationsprojekten in Lateinamerika, so in der 2008 gegründeten südamerikanischen Staatengemeinschaft UNASUR.

In Kürze wird die Vollmitgliedschaft Venezuela im größten lateinamerikanischen Wirtschaftsraum MERCOSUR in Kraft treten. Während EU und USA ihre Handelspolitik darauf ausgerichtet haben, in den lateinamerikanischen Staaten neue Märkte und Investitionsfelder für ihre Unternehmen zu erschließen, geht es bei ALBA–TCP nicht um Konkurrenz, sondern um komplementären Austausch und gegenseitige Hilfe.

Die Prinzipien von ALBA besagen, dass lokale Unternehmen in der öffentlichen Auftragsvergabe bevorzugt werden sollen, und verlangen eine ungleiche Behandlung von ungleich entwickelten Partnern sowie ungehinderten Wissens- und Technologietransfer – sie richten sich damit gegen die Marktöffnungsstrategien der EU und der USA.
Mit ALBA– TCP hat sich erstmals eine sehr konkrete Alternative zur herrschenden Weltwirtschaftsordnung etabliert. Damit eröffnen sich Perspektiven für die Neugestaltung internationaler Beziehungen.

Im Kontext der Programmdebatte, welche DIE LINKE in diesem Jahr führen wird, lohnt sich also eine eingehende Befassung mit dem Modell ALBA, das eine Utopie Wirklichkeit werden lässt.
Gleichzeitig benötigen die ALBA-Regierungen in der Auseinandersetzung mit den USA und der EU die Solidarität fortschrittlicher Kräfte weltweit. Dabei setzen sie viel Hoffnung auf die stärkste linke Partei Europas, DIE LINKE.

Cuba Sí revista Alexander King, Carlos Dávila
Cuba Sí revista 1-2010








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