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Nein zur Todesstrafe
Eine im Namen des US-Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal ab heute weltweit verbreitete Petition fordert
US-Präsident Barack Obama dazu auf, »sich gegen die Todesstrafe für Mumia Abu-Jamal sowie gegen
die Todesstrafe für viele Männer, Frauen und Kinder überall auf der Welt« auszusprechen.
Der Appell, den Rechtsanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco am vergangenen Samstag auf der XV.
Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz angekündigt hatte, gründet sich auf Resolutionen der
Vereinten Nationen, in denen es heißt: »Diese höchste Form der Bestrafung ist für eine
zivilisierte Gesellschaft inakzeptabel, und sie untergräbt die Menschenwürde«.
In einer Telefonschaltung mit seinem Verteidiger erklärte Mumia Abu-Jamal auf der
Rosa-Luxemburg-Konferenz: »Die USA stehen mit ihrer Praxis der Todesstrafe praktisch allein in der
industrialisierten Welt. Die Petition ist Ausdruck einer wachsenden Bewegung zur Abschaffung der
Todesstrafe.«
Die Initiatoren der Petition, die ab sofort im Internet
(www.PetitionOnline.com/Mumialaw/petition.html)
unterzeichnet werden kann, berücksichtigen den Fakt, daß ein US-Präsident keine rechtliche
Möglichkeit zur direkten Einflußnahme auf Fälle hat, in denen wie bei Abu-Jamal nicht nach
Bundesgesetz, sondern nach dem Gesetz eines US-Bundesstaates entschieden wurde. Da Abu-Jamal wegen
angeblichen Polizistenmordes in Pennsylvania 1982 zum Tode verurteilt wurde, könnte nur der dort
zuständige Gouverneur das Gnadenrecht ausüben. Doch der Republikaner Ed Rendell, der früher
als Staatsanwalt gegen Abu-Jamal ermittelt hat, wurde in jüngster Zeit immer wieder zitiert, er wolle
Abu-Jamal endlich hingerichtet sehen.
Es geht deshalb jetzt um eine politische Entscheidung auf Regierungsebene, um Gerechtigkeit in diesem
unfairen und von Rassismus und Beweisfälschungen geprägten Verfahren herzustellen. Das fordert
auch Amnesty International schon seit gut zehn Jahren. Die offenkundigen Verfassungsbrüche, derer
sich Justiz und Polizei in diesem Verfahren schuldig gemacht haben, wurden im April 2009 in letzter
Instanz durch den Obersten Gerichtshof abgesegnet. Ein neues faires Verfahren ist also nicht mehr
Gegenstand des juristischen Streits.
Die hohen Richter werden jetzt nur noch über einen Antrag der Staatsanwaltschaft befinden, mit dem
die Beibehaltung der Todesstrafe gefordert wird. Im besten Falle stellt das Gericht diesen Freibrief
für einen Justizmord nicht aus, sondern verweist die Entscheidung über das Strafmaß an
eine neue Jury in Philadelphia. Auch dieses untere Gericht könnte das Todesurteil bestätigen,
aber auch auf lebenslange Haft erkennen.
Die Petition appelliert nun an Obama, sein Versprechen eines gesellschaftlichen Wandels zu halten, mit dem
er die Präsidentenwahl und internationale Achtung gewann. Der Präsident ist kommende Woche ein
Jahr im Amt. Ein längst überfälliger »Wandel« wäre jetzt die Abschaffung der
Todesstrafe. Dabei hätte Obama seit kurzem sogar das American Law Institute an seiner Seite. Denn
diese zentrale Institution der Rechtspflege in den USA, die maßgeblich den gesetzlichen Rahmen der
heutigen Todesstrafenpraxis entworfen hat, will laut New York Times vom 5. Januar künftig nicht mehr
an dieser Praxis mitwirken, da »das Todesstrafensystem der USA unwiederbringlich zerrüttet« sei.
Jürgen Heiser
Junge Welt, 15.01.2010
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