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Kuba solidarisch mit Haitianern
Erdbebenexperten ergänzen die 400 Mediziner auf der Nachbarinsel
Kuba plagt eine ungewöhnliche Kältewelle und die absurde Einstufung als Terrorismus
förderndes Land seitens der USA. Doch all das wird überlagert durch das Erdbeben beim
östlichen Nachbarn Haiti, wo kubanische Hilfskräfte ihr Bestes geben.
In Kuba haben sich die Prioritäten durch das Beben in Haiti gründlich verschoben. Es geht nicht
mehr um die aktuelle Kältewelle mit Morgentemperaturen von 4 bis 9 Grad. Auch tagsüber schafft
es das Thermometer nur selten über die 21. Die Meteorologen werden nicht müde zu dementieren,
dass das nicht der Anfang vom befürchteten Klimawandel ist. Sie haben Statistiken aus den vergangenen
Jahrhunderten aus den Archiven gekramt, mit denen sie nachweisen können, dass es nicht zum ersten Mal
so kalt ist. 1993 zum Beispiel oder 1970, da hatten sich die Kubaner auch schon eingemummt wie die Inuit.
Vom Tisch ist zunächst ebenfalls die Perfidie der Obama-Regierung, die Kubaner wie unter George W.
Bush in die Liste der Länder einzuordnen, die den Terrorismus fördern. Kein anderes Land ist
seit einem halben Jahrhundert öfter Zielscheibe von Terrorgangstern gewesen, die fast immer vom Boden
der USA aus operierten. Die »Washington Post« disqualifizierte die Einstufung als »ganz einfach
lächerlich«.
Das Wichtigste jetzt ist das Erdbeben in Haiti, das nur etwa 80 Kilometer von der Ostküste Kubas
entfernt schwere Verwüstungen anrichtete. Und zwar ausgerechnet in der Region, die am dichtesten
bevölkert ist und wo selbst für solide erachtete Regierungsbauten zu Boden gingen. Ärmer
als die Haitianer ist kein Volk in Lateinamerika und der Karibik.
Vor Kubas Ostküste verhielt sich das Meer erstaunlich ruhig. Dennoch aktivierte die ausgezeichnet
funktionierende Zivilverteidigung präventiv einen Alarmzustand ersten Grades, denn sie schloss einen
Tsunami nicht aus. So wurden aus den küstennahen Gebieten 40 000 Menschen in höher gelegene
Gebiete evakuiert, Hubschrauber – mit potenten Schallkanonen ausgerüstet – kontrollierten aus der
Luft die Rettungsaktionen, gaben Hinweise, wie sich zum Beispiel das Meer zwischen Haiti und den
Windward-Inseln verhielt, um auch jeden Ansatz von Panik zu verhindern. Im Osten der Insel wackelt die
Erde relativ oft, aber nur so, dass bisher weder Menschen noch Gebäude beschädigt wurden.
Kuba hat sofort 60 Erdbebenexperten, die ihre Erfahrungen nach dem großen Beben in Pakistan
gesammelt haben, in Marsch gesetzt. 400 Mediziner und Paramediziner arbeiten schon seit Monaten auf der
Nachbarinsel. Thema Nummer eins ist in Kuba bis auf Weiteres die Solidarität mit der Bevölkerung
des karibischen Nachbarstaats. Wie weit Kuba dabei zu gehen bereit ist, zeigt sich daran, dass Havanna den
USA erlaubt, für Hilfsaktionen in der Erdbebenregion Haiti den kubanischen Luftraum zu nutzen. Um
Verletzte auszufliegen, dürfen US-Flugzeuge auf dem Weg vom Stützpunkt Guantanamo auf Kuba nach
Miami kubanischen Luftraum kreuzen. Dadurch werden etwa 90 Minuten gewonnen.
Leo Burghardt, Havanna
Neues Deutschland 18.01.2010
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