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Mumia weiter in Gefahr
Am Dienstag kurz nach 10 Uhr Ortszeit gab der Oberste Gerichtshof der USA die seit langem erwartete
Entscheidung im Fall des 1982 zum Tode verurteilten Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal bekannt. Das
Gericht gab dem Berufungsantrag der Staatsanwaltschaft statt, bestätigte aber nicht das Todesurteil,
sondern verwies den Fall zunächst an das 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia zurück. Dort
soll die Frage, ob die Geschworenen ausreichend über die Berücksichtigung mildernder
Umstände belehrt worden sind, noch einmal neu behandelt werden. Das Bundesgericht wird aufgefordert,
nach diesen rechtlichen Erörterungen den Fall neu zu entscheiden.
In einer ersten Stellungnahme erklärte Robert R. Bryan, Abu-Jamals Hauptverteidiger, gegenüber
junge Welt: »Die Entscheidung ist nicht schlecht, weil wir Zeit gewonnen haben. Wir gehen einen Schritt
zurück und verhandeln erneut über das Todesurteil vor einem unteren Gericht.« Mumia Abu-Jamal
sei aber weiterhin zum Tode verurteilt und im Todestrakt. »Sein Leben ist weiter in Gefahr! Der Zeitpunkt
der endgültigen Entscheidung ist nur aufgeschoben«, so der Anwalt.
Am 9. Dezember 1981 war der Radiomoderator und Präsident der Vereinigung schwarzer Journalisten Mumia
Abu-Jamal in Philadelphia von einer Polizeikugel lebensgefährlich verletzt worden, als er seinem
Bruder zu Hilfe kommen wollte, der in einer Verkehrskontrolle von dem weißen Polizisten Daniel
Faulkner mißhandelt wurde. Am Ende des bis heute gerichtlich nicht wirklich aufgeklärten
Vorfalls lag auch der Polizeibeamte Faulkner schwerverletzt am Boden und verstarb. Sicher ist nur,
daß mehrere Zeugen einen Unbekannten flüchten sahen, der offensichtlich in den
Schußwechsel mit Faulkner verwickelt war.
Schon im Juli 1982 folgte das Todesurteil nach kurzem Prozeß, über den die
Menschenrechtsorganisation Amnesty International feststellte, daß »zahlreiche Aspekte dieses Falles
eindeutig gegen die internationalen Mindeststandards zur Gewährleistung eines fairen Prozesses
verstoßen«.
Doch alle von den erst seit 1992 für Abu-Jamal tätigen Vertrauensanwälten vorgelegten
Unschuldsbeweise wurden abgeschmettert und die Wiederaufnahme des Verfahrens bis hin zum Supreme Court
abgelehnt. Nur zwei Bundesgerichtsentscheidungen räumten 2001 und 2008 ein, wegen möglicher
Rechtsfehler bei der Auswahl und Belehrung von Geschworenen solle die Todesstrafe in lebenslange Haft
umgewandelt werden. Doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, weshalb Abu-Jamals Todesurteil
bestehen blieb und er 28 Jahre im Todestrakt verbringen mußte. Nun hat die Anklagebehörde zwar
insofern einen Rückschlag erlitten, als der Oberste Gerichtshof den Weg zum Henker noch nicht
freigegeben hat, aber Sprecher der Staatsanwaltschaft kündigten schon an, man werde weiter auf die
Hinrichtung Mumia Abu-Jamals hinarbeiten.
Dagegen wird die internationale Solidaritätsbewegung, die schon seit Monaten zu verstärkten
Protesten aufruft, weiter mobilisieren. Allerdings teilten Sprecher der Free-Mumia-Bündnisse bei
jW-Redaktionsschluß mit, die weiteren Aktivitäten würden zunächst neu beraten.
Nach Danielle Mitterand und Günter Grass haben in den letzten Tagen gut 8000 Menschen aus vielen
Ländern eine Petition unterschrieben, die US-Präsident Obama auffordert, sich gegen das
Todesurteil von Abu-Jamal und die weltweite Todesstrafe auszusprechen (siehe jW vom 15. Januar: »Der
Todestrakt ist ein einsamer Ort«).
Infos: www.freedom-now.de
Jürgen Heiser
Junge Welt, 20.01.2010
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