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Spione als Entwicklungshelfer
CIA-Agenten tarnen sich gern als harmlose Unterstützer. Immer hilft ihnen das nicht
In den USA wird derzeit fleißig eine Legende um die Geschichte des harmlosen und unschuldigen
amerikanischen »Sozialarbeiter« gestrickt, der von der heimtückischen kubanischen Spionageabwehr
Anfang Dezember festgenommen worden sei, als er gerade seinen Flug nach Hause nehmen wollte. Zugleich soll
mit geschickt lancierten Details über Herkunft und Hintergrund des inzwischen als Alan P. Gross
identifizierten US-Agenten die mächtige zionistische Lobby für die Anti-Kuba-Kampagne
Washingtons aufgerüttelt werde. So titelte z.B. jüngst die Washington Post, daß Gross
lediglich »jüdischen Gruppen in Kuba helfen wollte, die sich für Demokratie-Projekte einsetzen«.
Zu diesem Zweck habe er an die Betroffenen Mobiltelefone, Computer »und auch andere
Kommunikationsausrüstung « verteilt, um die »Informations- Blockade der kubanischen Regierung zu
durchbrechen«. Zwar räumt die Washington Post ein, daß die Verteilung der nicht näher
bezeichneten »anderen Kommunikationsausrüstung« in Kuba sehr wahrscheinlich illegal war, aber das
kümmert nicht weiter.
Der »engagierte Entwicklungshelfer « Mr. Gross habe offensichtlich in »bester Absicht« gehandelt, und sei
»sicherlich aus reiner Naivität, in vollkommener Unschuld, ohne zu wissen, daß er etwas
Falsches tat«, in Schwierigkeiten geraten. Schließlich arbeite Mr. Gross seit vielen Jahren
für die in Washington beheimatete Hilfsorganisation mit dem schönen Namen
»Entwicklungsalternativen-GmbH« (Development Alternatives Inc – DAI). Vollkommen unverständlich sei
es daher, daß letzte Woche der Vorsitzende der kubanischen Nationalversammlung, Ricardo Alarcón,
Mr. Gross beschuldigte, »von amerikanischen Geheimdiensten für bestimmte Arbeiten« angeheuert worden
zu sein. Aber ganz so abwegig ist das nicht, insbesondere wenn man sich die bisherige Hilfeleistungen der
Entwicklungsalternativen GmbH (DAI) in anderen Ländern anschaut, zumal die DAI schon seit Jahrzehnten
ganz groß im von Washington geförderten Democracy-Exportgeschäft tätig ist.
So hatte die DAI 2008 noch von der Bush-Administration im Rahmen des USAID-(US-Hilfe)Programms einen
Vertrag über 40 Millionen Dollar zur Förderung der US-Democracy in Kuba bekommen. Im Jahr 2002
erregte DAI eine Menge unliebsamer Aufmerksamkeit, als herauskam, daß die »Entwicklungsalternativen
GmbH« die Gruppen finanziert hatte, die in Venezuela hinter dem Putschversuch gegen den gewählten
Präsident Hugo Chávez standen, was von der Gruppe »Source Watch« dokumentiert ist. 2003 kam
die DAI in den Philippinen in die Kritik, weil sie die Regierung gedrängt hatte, verschiedene
wirtschaftliche »Reformen « durchzusetzen, welche u. a. die Luft- und Schiffstransportindustrie für
ausländische Konzerne öffnete. Wegen ihrer dubiösen Projekte in Irak und Afghanistan ist
der ehemalige CIA-Agent Philip Agee zu dem Schluß gekommen, daß es sich bei der DAI um eine
Frontorganisation der CIA handelt. Auch sind DAI-»Hilfsprojekte« bereits wiederholt Ziele von
Selbstmordattentätern geworden. Zuletzt am 15. Dezember im afghanischen Gardez, bei dem fünf
DAI-Mitarbeiter getötet wurden. In der afghanischen Provinz Khost ist die »Entwicklungsalternativen
GmbH« ebenfalls tätig. Dort waren am 30. Dezember sieben CIA-Agenten, die nach außen für
eine amerikanische Hilfsorganisation gearbeitet hatten, von einem jordanischen Doppelagenten in die Luft
gesprengt worden. Hinweise, daß die »Entwicklungsalternativen GmbH« den getöteten CIA-Leuten
als Cover gedient hatte, wurden offiziell noch nicht bestätigt. Allerdings hat ein hochrangiger
Mitarbeiter von USAID Anfang des Monats eingeräumt, daß die CIA die Namen von
US-Hilfsorganisationen benutzt, um Verträge abzuschließen oder Dritte zu finanzieren, um auf
diese Weise Geheimoperationen zu decken.
Rainer Rupp
Junge Welt, 20.01.2010
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