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»Mumia Abu-Jamal ist stark, er ist ein Kämpfer«
Die internationale Kampagne zur Rettung des Bürgerrechtlers vor der Todesstrafe muß
intensiviert werden. Ein Gespräch mit Robert R. Bryan
Robert R. Bryan (USA, San Francisco) ist der Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal. Der schwarze
Journalist und Bürgerrechtler sitzt seit 28 Jahren wegen eines angeblichen Mordes in der Todeszelle
Was ist der Kern der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA vom Dienstag?
Der Gerichtshof hat unseren Fall an die vorletzte Instanz, das 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia,
zurückverwiesen. Dort soll erneut entschieden werden, ob mein Mandant Anspruch auf einen neuen
Juryprozeß hat, der darüber entscheiden soll, ob er hingerichtet wird oder lebenslange Haft
bekommt. Das vor dem Hintergrund, daß der Oberste Gerichtshof am 12. Januar im Fall Spisak aus Ohio,
den er für vergleichbar mit dem meines Mandanten hält, das Todesurteil bestätigt hat.
Sie sagen aber, die Fälle seien nicht vergleichbar?
Der Spisak-Fall liegt völlig anders. Vergleichbar ist nur, daß auch in diesem Fall das
Bundesberufungsgericht die Todesstrafe in lebenslange Haft umwandeln wollte, weil es die US-Verfassung
verletzt sah. Der Vorsitzende Richter erteilte den Geschworenen eine irreführende Belehrung
darüber, wie sie mildernde Umstände bei der Urteilsfindung berücksichtigen können.
Ist jetzt die Möglichkeit, daß das Todesurteil in Abu-Jamals Fall in lebenslange Haft
umgewandelt werden könnte, durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für immer vom Tisch?
Nein. Die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts vom 28. März 2008 ist nur aufgehoben und zur
Neuentscheidung unter neuen Gesichtspunkten zurückverwiesen worden. Sie ist nicht »abgelehnt« worden
– das würde nämlich bedeuten, sie wäre rechtlich falsch. Vielmehr ist es so, daß die
Bundesrichter die Frage der Belehrung über die mildernden Umstände verfassungsrechtlich neu
bewerten sollen. Wir gehen also einen Schritt zurück und fangen wieder da an, wo wir vor dem
März 2008 waren.
Wie wird das konkret aussehen?
Wir treten jetzt in eine Phase intensiver rechtlicher Auseinandersetzung in Form von Anträgen seitens
Verteidigung und Staatsanwaltschaft vor dem 3. Bundesberufungsgericht ein. Es wird auch wieder
mündliche Anhörungen vor Gericht geben.
Welches Ergebnis erwarten Sie?
Entweder wird zu Mumias Gunsten erneut ein Juryprozeß über das Strafmaß angeordnet oder
dieser wird verweigert. Aber egal, wie es ausgeht, die unterlegene Seite wird erneut vor dem Obersten
Gerichtshof in Berufung gehen.
Will der Oberste Gerichtshof durch den jetzigen Schritt bessere rechtliche Voraussetzungen für
die endgültige Bestätigung des Todesurteils schaffen?
Ja, das trifft leider zu.
Wie lange werden die Verhandlungen vor dem Bundesberufungsgericht dauern?
Eine Voraussage ist kaum möglich. Das Gericht wird zunächst Fristen für das
Antragsverfahren festlegen. Danach läßt sich besser abschätzen, wie lange das dauern wird
mit den Anträgen, Gegenanträgen, Gegenvorstellungen und mündlichen Anhörungen. Das
alles könnte ein Jahr dauern.
Könnte der Gouverneur von Pennsylvania in dieser Phase einen Hinrichtungsbefehl unterzeichnen?
Mumia befindet sich mit einem rechtskräftigen Todesurteil seit 28 Jahren im Todestrakt. Der
Bundesstaat Pennsylvania kann ihn nicht hinrichten, solange das Verfahren vor den Bundesgerichten
andauert. Theoretisch könnte Gouverneur Rendell aber einen Hinrichtungsbefehl unterzeichnen, den
würden wir jedoch sofort gerichtlich aufheben lassen.
Presseagenturen meldeten nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Dienstag, Ihr Mandant werde
nun einen »neuen Prozeß« bekommen. Was sagen Sie dazu?
Das stimmt natürlich nicht, weil der Oberste Gerichtshof die Wiederaufnahme des Verfahrens schon 2009
endgültig abgelehnt hat. Solche Meldungen zeigen nur, welche Verwirrung über diese komplizierten
juristischen Fragen vorherrscht.
Warum ist Mumia Abu-Jamal heute mehr denn je in Gefahr?
Wir hatten gehofft, daß die Berufung der Staatsanwaltschaft vom Obersten Gerichtshof abgelehnt und
ein Juryprozeß über das Strafmaß angeordnet würde. Dazu kam es nicht, und rein
theoretisch könnte das 3. Bundesberufungsgericht das Todesurteil bestätigen. Das wäre eine
Katastrophe!
Was sagt Mumia Abu-Jamal selbst zur neuen Lage?
Er ist natürlich alles andere als froh über diese Situation, aber er ist stark, er ist ein
Kämpfer. Es stärkt ihn vor allem, daß die Solidaritätsbewegung sich nicht beirren
läßt und ihre Aktivitäten verstärkt.
Die Petition an US-Präsident Barack Obama wurde jetzt schon von fast 10000 Leuten aus vielen
Ländern unterzeichnet. Wie erfährt Obama davon?
Wir brauchen noch viel, viel mehr Unterschriften. Erst dann wird eine Delegation Obama aufsuchen und ihm
diese Listen überreichen.
www.mumialegal.org
Interview: Jürgen Heiser
Junge Welt, 22.01.2010
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