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»Blockade beeinträchtigt uns in allen Bereichen«
Ein Jahr Obama-Regierung: Kein grundsätzlicher Wandel in der Politik Washingtons. Ein Gespräch mit Elio Gámez Neyra
Elio Gámez Neyra lebt in Havanna und ist Vizepräsident des Kubanischen Instituts für
Völkerfreundschaft
Vor etwas mehr als einem Jahr übernahm Barack Obama das Präsidentenamt in Washington. Hat sich
seither die Haltung der USA gegenüber Kuba verändert?
Das einzige, was sich geändert hat, ist der Diskurs. Obama ist etwas freundlicher, etwas anziehender,
gebildeter. Das hat viele Menschen verwirrt, die glauben, daß die Blockade nun abgeschwächt
wird oder verschwindet. Aber Obama hat nur eine Reihe kosmetischer Maßnahmen angekündigt, von
denen auch nur einige umgesetzt worden sind. Doch selbst wenn alle diese Maßnahmen umgesetzt
würden, brächte uns das gerade einmal auf den Stand der Beziehungen zwischen Kuba und den USA,
der unter der Regierung Clinton und in den ersten Monaten der Bush-Administration geherrscht hat. Es gibt
keinen grundsätzlichen Wandel in der Politik. Im vergangenen Jahr hat Obama das Gesetz über den
Handel mit dem Feind verlängert, eine der wichtigsten Grundlagen für die Blockade. Das wäre
eine Gelegenheit gewesen, Kuba von der Liste verfeindeter Länder zu streichen. Außerdem
hätte Obama Gelegenheit gehabt, die internationale Forderung nach der Freilassung der fünf
kubanischen Genossen aufzunehmen, die in US-Gefängnissen inhaftiert sind, weil sie gegen den
Terrorismus antikubanischer Organisationen in Miami gekämpft haben. Die Verantwortlichen ihrer
Verbrechen leben frei in den USA, während die fünf Genossen zu langen Haftstrafen verurteilt
wurden. Aber Obama hat sich gegenüber diesem Fall taub gestellt und vermieden, sich für die
Freiheit dieser Genossen auszusprechen.
Wie ist in dieser Situation die Lage der fünf Kubaner? Die juristischen Instanzen, um ihre
Freilassung zu erreichen, sind ja ausgeschöpft.
Was nun bleibt, ist der Druck der Solidaritätsbewegung unserer Freunde in aller Welt, um diese Mauer
des Schweigens der großen Massenmedien zu durchbrechen. Diese Bewegung umfaßt derzeit 2111
Organisationen in 148 Ländern, davon arbeiten mehr als 900 Gruppierungen in den meisten Ländern
Europas. Die Forderung an Obama ist, daß er von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, die
Fünf zu begnadigen.
Welche Auswirkungen hat die Blockade Kubas durch die USA auf die Internationale Buchmesse in
Havanna?
Die Blockade beeinträchtigt unser Leben in allen Bereichen. Durch die Blockade ist es vielen
nordamerikanischen Schriftstellern und Verlagen, die hier gerne dabei wären, nicht erlaubt zu
kommen. Zugleich wird der Erwerb und Transport von Druckereimaterial erschwert, das wir gern auf dem uns
so nahen Markt der USA erwerben würden. Wir müssen aber alles, was für den Druck von
Büchern und Zeitschriften benötigt wird, von weit entfernten Orten besorgen und deshalb zwei-
oder dreimal so viel bezahlen, wie dies in den USA kosten würde. Das Torricelli-Gesetz bestraft
außerdem jedes Schiff, das in Kuba anlegt. Es darf die nächsten sechs Monate keinen US-Hafen
anlaufen.
Das diesjährige Gastland der Messe ist Rußland. Wie haben sich die Beziehungen mit diesem Land
entwickelt?
Die Beziehungen sind von großer Freundschaft und Übereinstimmung in internationalen Fragen
bestimmt, die Zusammenarbeit wächst weiter. Hinzu kommen die historischen Beziehungen aus den ersten
Jahren der Kubanischen Revolution, als das sowjetische Volk dem kubanischen Volk immer die Hand gereicht
hat und es in den meisten Bereichen unserer Wirtschaft, im Bildungswesen und Gesundheitsbereich eine
intensive Zusammenarbeit gegeben hat. Deshalb hat Rußland sich die Auszeichnung, diesmal Ehrengast
der Buchmesse zu sein, redlich verdient.
Interview: André Scheer
Junge Welt, 11.02.2010
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