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Kuba läßt sich nicht erpressen
Raúl Castro erteilte Kampagne von USA und EU eine Absage
Mit einer Rede des kubanischen Präsidenten Raúl Castro ist am Sonntag in Havanna der IX. Kongreß des Kommunistischen Jugendverbandes UJC zu Ende gegangen. Vor den 800 Delegierten zeigte sich der 78jährige gegenüber den Hungerstreiks von Regierungsgegnern unnachgiebig und bezeichnete sie als »Erpressung« durch die USA und die Europäische Union. »Wir werden niemals einer Erpressung nachgeben, nicht der eines einzelnen Landes oder der einer Staatengemeinschaft, seien sie auch noch so stark, was auch immer geschehe«, so Castro. Kubas Staatschef beschuldigte Washington und Brüssel einer »außerordentlichen Mißkreditskampagne« gegen Kuba und der Verlogenheit in Menschenrechtsfragen.
Darüber hinaus kündigte Castro weitere wirtschaftliche Reformen an, von denen die Stabilität und der Erhalt des Sozialsystems abhingen. Dazu gehört vor allem der schrittweise Abbau der Belegschaft vieler Staatsbetriebe, in denen Hunderttausende Arbeitsplätze zu viel existieren. Schnellen und grundlegenden Veränderungen erteilte Castro dagegen eine Absage: »Ich ignoriere keineswegs, daß einige Genossen manchmal verzweifeln und sich sofortige Veränderungen in den verschiedensten Bereichen wünschen (...) Aber das ist Ungeduld aus Unwissenheit darüber, was für eine Fülle von Aufgaben vor uns liegt.« Angesichts der »Tiefe und Komplexität« der sozialen Faktoren seien abrupte Reformen nicht möglich; allerdings müßten »Dogmen beseitigt« und das Wirtschaftsmodell aktualisiert werden.
Unterdessen ist das Verhältnis zwischen den USA und Kuba gerade wieder mindestens so schlecht wie zum Ende der Amtszeit von George W. Bush. Sah nach Barack Obamas Amtsantritt zunächst alles nach einer vorsichtigen Annäherung beider Länder aus, so befinden sich die Beziehungen beider Länder bereits seit einiger Zeit in einem Abwärtsstrudel, in dem die eine Seite auf Schritte der anderen wartet. Obama glaubte, mit der Aufhebung von Beschränkungen bei Reisen und Geldüberweisungen nach Kuba einen solchen getan zu haben und machte weitere Maßnahmen von einer positiven Geste auf kubanischer Seite abhängig. Diese verwies jedoch auf die weiterhin bestehende Blockade und forderte deren Aufhebung. Die Festnahme eines US-Amerikaners im Dezember, dem Kuba Spionage vorwirft, ohne bisher formal Anklage erhoben zu haben, verschlechterte die Beziehungen weiter. Ein Treffen des US-Gesandten Craig Kelly mit Regierungsgegnern nach Gesprächen mit kubanischen Regierungsvertretern zu Migrationsfragen in Havanna sowie die Hungerstreiks von Zapata und Guillermo Fariñas haben die Fronten mittlerweile wieder verhärtet. Eine neue Chance könnte sich ergeben, sollten Repräsentantenhaus und Senat in den nächsten Monaten die Reisebeschränkungen für alle US-Amerikaner und Ausfuhrsperren für Agrarprodukte nach Kuba aufheben. Ein entsprechendes Projekt wurde von dem demokratischen Abgeordneten Colin Peterson eingebracht und wird von der US-amerikanischen Tourismus- und Agrarindustrie unterstützt.
Andreas Knobloch
Junge Welt, 06.04.2010
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