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Märchenerzählerin des Tages
Hillary Clinton
Die USA haben in ihrem seit Jahrzehnten mit allen Mitteln geführten Klassenkampf gegen Kuba einen
Trumpf im Ärmel, mit dem bis zum Wochenende niemand rechnen konnte. Sie könnten von heute auf morgen
ihre seit 50 Jahren andauernde Blockade aufheben. Die Führung in Havanna verlöre so praktisch über Nacht
"alle ihre Entschuldigungen für das, was in Kuba seit 50 Jahren nicht gemacht wurde".
Das jedenfalls hat Außenministerin Hillary Clinton am Freitag Studenten der Universität von Kentucky in
Louisville erzählt. Deshalb, so Clinton weiter, seien Raúl und Fidel Castro an einem Ende der Blockade
nicht (!) interessiert.
Macht ja nichts, daß Kuba in kürzester Zeit das ganze Land alphabetisiert und das umfassenste
Bildungssystem ganz Lateinamerikas etabliert hat, das ausnahmslos allen jungen Kubanern zugute kommt.
Macht ja nichts, daß die Insel über das fortgeschrittenste Gesundheitswesen des Kontinents vefügt, an dem
auch viele Menschen anderer Länder partizipieren.
Übrigens trotz 50 Jahren US-Blockade. Mit dieser sollte die kubanische Revolution in die Knie gezwungen
werde. Es ist nicht gelungen. Trotz eines wirtschaftlichen Verlusts von insgesamt 96 Milliarden US-Dollar,
der Kuba in all den Jahren schwer getroffen hat und bis heute größte Komplikationen verursacht.
Wer gehofft hatte, unter Obama würde sich die aggressive Politik gegen Kuba entspannen, sah sich bisher
getäuscht. Nun schickt der Präsident seine Außenministerin auf Propagandatour, indem er sie mit Worten den
Spieß umdrehen läßt.
Immerhin ist die Logik ausbaufähig. Irak und Afghanistan könnte mit dem Ende des Krieges und Iran mit der
Nichteinmischung in seine inneren Angelegenheiten gedroht werde. Und dann das Beste zum Schluß: Wenn die
Welt sich nicht nach Washington richten will, dann richtet sich Washington eben nach der Welt und rüstet
ab: auf null.
(ulis)
Junge Welt, 12.04.2010
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