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Humboldt zählte zu den Bewunderern der Unabhängigkeitsbewegung
Der Historiker Michael Zeuske zu den 200-Jahr-Feiern in den Ländern Lateinamerikas


ND: Herr Zeuske, Lateinamerika begeht in diesen Wochen das 200-jährige Jubiläum seiner Unabhängigkeit von den europäischen Fremdherrschern. Eduardo Galeano, der uruguayische Essayist und Autor des Standardwerkes über den Kolonialismus »Die offenen Adern Lateinamerikas« sagte unlängst aber, der Kampf um diese Unabhängigkeit habe »gerade erst begonnen«. Müssen die Festakte abgesagt werden?

Zeuske: Nein, auf gar keinen Fall. Dann werden wir Historiker der Unabhängigkeit ja arbeitslos für die nächsten 15 Jahre, denn die Unabhängigkeitskriege und -revolutionen dauerten ja mindestens von 1810 bis 1825 an. Aber Spaß beiseite, keinesfalls wird einer der lateinamerikanischen Staaten, von Kolumbien vielleicht einmal abgesehen, die Feiern absagen und sollte es auch gar nicht. Denn Geschichte geht in Etappen voran und die Independencia von damals ist schon so etwas wie ein Präludium der heutigen Auseinandersetzungen um Selbstbestimmung und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Es ist ein Kampf um Unabhängigkeit, bei dem viele Aufgaben anstehen, die in der ersten Unabhängigkeit abgewürgt, nicht gelöst oder auch in den 180 Jahren danach nicht angegangen worden sind.

Haiti erkämpfte 1804 seine Unabhängigkeit, im nahen Kuba wurde eine Art nationalstaatlicher Souveränität erst 1902 erreicht. Puerto Rico ist bis heute nicht eigenständig, sondern unter US-Dominanz. Weshalb diese Unterschiede?

Haiti oder, vor 1804, Saint-Domingue war schon vor dem Beginn der Sklavenrevolution von 1791 globalisierter als, sagen wir, große Teile Deutschlands heute. Die ursprünglichen Bewohner waren ausgerottet, die Sklavenbesitzer und ihre Personal, rund zehn Prozent, und die 90 Prozent Sklaven waren alle Immigranten, die meisten natürlich Zwangsimmigranten. Saint-Domingue, die Perle der französischen Karibik, galt bis zur Sklavenrevolution weltweit als das erfolgreichste Wirtschaftsmodell der damaligen Stufe der Globalisierung. Die Sklaven, ehemaligen Sklaven und freien Farbigen aber erkämpften 1804 für sich und ihre Familien die Freiheit, die sie für richtig hielten, und brachen mit der liberalen Globalisierung. Die kubanischen Eliten und in gewissem Sinne auch die von Puerto Rico setzten daraufhin auf den Zuckerboom und Massensklaverei, zusammen mit der Kolonialmacht Spanien, denn die europäischen Märkte schrieen nach dem Zusammenbruch der »Modellwirtschaft« Saint-Domingue/Haiti nach Zucker. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu Allianzen von weißen und farbigen Kubanern und Portoricanern, die die Unabhängigkeit von Spanien in langen Kämpfen erreichten. Beide Inseln wurden aber danach im ersten imperialistischen Krieg der USA besetzt. Von Kuba mussten die Truppen der Weltmacht wieder abrücken, seit 1960 ganz und gar. In Puerto Rico sind sie geblieben.

Mehrere Staaten Lateinamerikas und der Karibik streben in diesem Moment der Geschichte eine, wie es heißt, »zweite Unabhängigkeit« an. Worin soll sie bestehen?

Meiner Meinung nach in der Lösung einer Reihe von strukturellen Problemen, die die Entwicklung der lateinamerikanischen Staaten wie Bleianker an die Kolonialzeit binden. Ich denke da zum Beispiel an die Agrarfrage, an den impliziten Rassismus und an die enormen sozialen Hierarchien, wobei sich »oben« fast immer »weiße« Nachkommen von Konquistadoren, Spaniern, Europäern oder Nordamerikanern befanden. In den Unterschichten aber finden sich die Nachkommen von Indios, Negros, Pardos und Mulatos. Ich benutze hier bewusst die Sprache der kolonialen Kastengesellschaft, die Sprache mag sich heute geändert haben, die sozialen Hierarchien sind noch ganz präsent. Diese Grunddilemmata ziehen eine ganze Latte von Problemen nach sich: Arbeit, Bildung, Gesundheit, Rente etc. Und von der wirtschaftlichen Fremdbestimmung durch transnationale Konzerne und Banken des Nordens brauchen wir wohl nicht zu reden.

Stehen Venezuelas Präsident Hugo Chávez und das Staatenbündnis ALBA also in einer Reihe mit den antikolonialen Kämpfen?

Sie sind die legitimen Erben.

Erklärt sich so die Reaktion in den Industriestaaten?

Ja, sicher, aber sie resultieren auch aus Manipulation der Visualisierung durch Medien.

Dabei sah Alexander von Humboldt die Souveränitätsbewegung in Lateinamerika einst mit Begeisterung, generell war das Echo auch in der preußischen Presse positiv. Wie erklären Sie sich die heute bestehende tiefe Kluft des Unverständnisses zwischen dem Norden und dem Süden?

Die südamerikanischen Liberalen – das waren sehr progressive Leute – hatten Verfassungen und Republiken, welche von den Liberalen in Europa auch angestrebt wurden, schon erreicht, als es nach 1818 in Europa fast nur Neoabsolutismus gab. Das hat Humboldt schon bewundert wie viele andere aus der preußischen Elite. Die Europäer glaubten auch, dass sich aus progressiven Staats- und Verfassungsformen zwangsläufig höhere Wirtschaftsleistung und Stabilität ergeben müssten. Die Nord-Süd-Hybris von Nordamerikanern und Europäern hat sich erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Bis dato hielten sich die Eliten für gleich.

In den vergangenen 200 Jahren hatten die Nachkommen der Ureinwohner nur wenige Rechte. Nun sind sie wesentliche Träger des Wandels in Lateinamerika. Ist das eine neue Qualität?

Ja, in einigen Gebieten scheint die »lateinische« Phase in der Geschichte »Latein«-Amerikas ihrem Ende entgegenzugehen. »Latein«-Amerika als Gesamtbezeichnung für das ehemalige Spanisch-Amerika ist ja in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Intellektuellen der neuen Republiken Südamerikas geschaffen worden, um ihre Nähe zum »lateinischen« Europa, den katholischen Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien und Portugal, zu betonen und ihre Fremdheit gegenüber »angelsächsischen« Länder wie England und USA. Die Kulturen ihrer »eigenen« Unterschichten zählten dabei wenig. Spanisch als Sprache wird aber wohl noch lange Staatssprache bleiben.

Neues Deutschalnd
Neues Deutschland 19.04.2010









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