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»Kubaner engagieren sich für ihr Land«
Mit Bulldozern gegen Pflanzenschädlinge. Wie die Menschen auf der Karibikinsel ihre Ernährung sichern wollen. Gespräch mit Anika Rosa Dreilich
Anika Rosa Dreilich ist Biologin und seit einigen Jahren aktiv bei Cuba Sí. Die 27jährige lebt in Berlin.
Die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí, die beim Parteivorstand Die Linke angesiedelt ist, sammelt derzeit Spenden, um einen Bulldozer für Kuba zu finanzieren. Warum braucht Kuba einen Bagger?
Der Grund heißt Marabú. Da ist eine Pflanze, die sich rasant in der kubanischen Landwirtschaft ausbreitet, so daß kostbare Flächen für Viehzucht und Lebensmittelanbau verlorengehen. Nicht zufällig heißt Marabú auch Fluch. Mit dem Einsatz eines Bulldozers kann man die Böden von dem Gewächs samt Wurzeln befreien. Eine sofortige landwirtschaftliche Nutzung der so behandelten Flächen kann die Wiederkehr der Pflanze verhindern. Der eingeschleppte Dornenstrauch pflanzt sich über tiefe unterirdische Sproáe, Stengelfragmente und Unmengen produzierter Samen fort. Diese sind feuerunempfindlich, bleiben über Jahre fruchtbar und zersetzen sich auch nicht im Verdauungstrakt von Tieren. Zur Zeit sind in Kuba etwa 1,2 Millionen Hektar befallen – ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Solche fruchtbaren Böden wollen wir zurückgewinnen, um die Ernährung zu sichern. Gegenwärtig muß Kuba noch immer rund 80 Prozent seiner Lebensmittel importieren.
Wessen Idee war es, einen Bulldozer anzuschaffen?
Kubaner, die in unseren Projekten arbeiten, haben uns den Vorschlag gemacht. Wir unterstützen zur Zeit vier aktuelle Milchprojekte. Sie umfassen mehrere Landwirtschaftshöfe, auf denen insgesamt etwa 100 Kubaner arbeiten. Wir finanzieren diese Projekte von Deutschland aus und kooperieren mit der kubanischen Organisation ACPA (Kubanische Vereinigung der Tierproduktion). In Pinar del Rio fördern wir einzelne Bauern, indem wir ihnen einen Brunnen oder einen Stall für die Tiere finanzieren. In Guantanamo haben wir einen Hof gebaut. Das Gute an unseren Projekten: Wir verschicken kein Milchpulver wie andere Organisationen, sondern sorgen dafür, daß sie ihre Milch selber herstellen können. Würde unsere Organisation wegfallen, bleibt der Milchhof dennoch erhalten.
Wie schwierig ist es, Ernährungssicherheit herzustellen?
Seit 1990 die UdSSR und die DDR weggefallen sind, leidet Kuba zunehmend unter der Wirtschaftsblockade der USA. In der Gegend, wo unsere Projekte laufen, gibt es aber keinen Milchmangel mehr. Wir haben dort auch Kaninchen- und Ziegenzucht angelegt; es gibt Enten und Schweine, auch Zuckerrohr wird angepflanzt. Alternative Energiequellen werden genutzt.
Sind die Hurrikanschäden von 2007/2008 mittlerweile behoben?
In unseren Projekten in Pinar del Rio im Westen Kubas war viel zerstört. Wir haben Spenden geschickt – die Strom- und Wasserversorgung kam so wieder in Gang. Wir senden auch Werkzeuge und andere Dinge, die dort mit Geld nicht einfach zu beschaffen sind. Wir haben schnell reagiert; direkt nach dem ersten Hurrikan angefangen zu sammeln, noch bevor die beiden weiteren über das Land zogen. Als ich kürzlich in Pinar del Rio war, habe ich mich sehr gefreut: In der Nähe unserer Projekte ist alles wieder aufgebaut.
Cuba Sí hat Zulauf – warum engagieren sich junge Leute für Kuba?
Viele von ihnen waren schon einmal dort. Auch Che Guevara und Fidel Castro wirken immer noch als Vorbilder. Etwa 30 Ehrenamtliche treffen sich wöchentlich. Viele haben an unseren Workcamps teilgenommen, die wir viermal jährlich veranstalten. In unserer Zeitung Cuba si-revista schreiben sie, daß sie begeistert hat, so das echte Kuba kennenzulernen. Nicht nur Strand, Rum und Zigarren. So manches Vorurteil wird dadurch revidiert: Überrascht stellen sie fest, daß sich Kubaner sich für ihr Land engagieren.
Es machen auch Rentner mit – alles Kommunisten?
Nein, es kommen viele, die nicht mal links sind – einige werden es allerdings. Manche berichten, durch Medien ein verzerrtes Bild vermittelt bekommen zu haben. Eine Frau von Amnesty International hat sogar erzählt, gegen Kuba wegen Mißachtung der Menschenrechte demonstriert zu haben. Nach Gesprächen mit Kubanern sei ihr erst bewußt geworden, daß es ja auch ein Menschenrecht ist, ernährt und medizinisch versorgt zu werden. In dieser Hinsicht haben die USA beispielweise große Probleme.
Interview: Gitta Düperthal
Junge Welt, 08.05.2010
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