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Verhandeln über Mumias Leben
Berufungsgericht in Philadelphia setzt öffentliche Anhörung an
In die juristische Auseinandersetzung um den zum Tode verurteilten Mumia Abu-Jamal kommt wieder Bewegung. Wie der Hauptverteidiger des afroamerikanischen Journalisten und Bürgerrechtlers, Robert R. Bryan, gegenüber junge Welt mitteilte, hat das 3. US-Bundesberufungsgericht in Philadelphia eine öffentlichen Anhörung für den 9. November um 14 Uhr (Ortszeit) angesetzt. Dort sollen die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft Gelegenheit haben, dem zweithöchsten US-Gericht ihre Argumente vorzutragen. Danach wird das Gericht Anwalt Bryan zufolge »in den nächsten Monaten« entscheiden, ob das gegen Abu-Jamal am 3. Juli 1982 wegen angeblichen Polizistenmordes ausgesprochene Todesurteil beibehalten wird oder in einem neuen Prozeß über ihre Umwandlung in lebenslange Haft verhandelt werden soll.
Die Verteidigung hatte auf eine mündliche Anhörung gehofft, »der Termin kommt jetzt aber früher, als wir erwartet haben«, so Bryan gegenüber jW. Dennoch seien er und sein Mandant vorsichtig optimistisch über diesen Schritt des Bundesgerichts. Mumia Abu-Jamal selbst wird an diesem öffentlichen Termin nicht teilnehmen dürfen, sondern muß in einer Todeszelle des Hochsicherheitsgefängnisses SCI Greene in Waynesburg, Pennsylvania abwarten, wenn über sein Leben verhandelt wird. In der bloßen Anberaumung der Anhörung zeige sich nach Anwalt Bryan allerdings noch keine Richtung, die der Fall juristisch nehmen werde: »Es ist, was es ist, nicht mehr. Aber es geht letztlich um die alles entscheidende Frage, ob mein Mandant leben oder sterben wird.« Deshalb seien weiter öffentlicher Protest, die Unterzeichnung der Petition an US-Präsident Obama und Unterstützung durch Spenden an die Verteidigung dringend notwendig.
Unabhängig von der Entscheidung des Bundesgerichts werde der Fall sicher noch einmal vor den Obersten Gerichtshof der USA gebracht werden, vermutet der Anwalt. Zum einen wolle die Staatsanwaltschaft in jedem Fall Abu-Jamals Hinrichtung durchsetzen und werde sich mit einer möglicherweise angeordneten Neuverhandlung über das Strafmaß nicht abfinden. Zum anderen werde die Verteidigung nicht von der Forderung nach einem neuen und fairen Verfahren für ihren Mandanten abrücken. Kein Gericht habe sich bislang mit den überwältigenden Beweisen für die Unschuld Abu-Jamals auseinandergesetzt.
In diese für viele Beobachter des Falles nicht nachvollziehbare Ignoranz reihte sich bislang auch der Oberste Gerichtshof der USA ein, der am 6. April 2009 eine Wiederaufnahme des Verfahrens ablehnte und auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 19. Januar 2010 sogar eine Entscheidung des Bundesberufungsgericht vom März 2008 kassierte. Dieses Gericht hatte damals die Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Haft beschlossen und dafür verfassungsrechtliche Bedenken wegen dem von der Staatsanwaltschaft betriebenen Ausschluß schwarzer Geschworener vom Verfahren im Jahr 1982 geltend gemacht. Anwalt Bryan zu der damaligen Anhörung: »Es ging zu etwa 20 Prozent um das Todesurteil und zu 80 Prozent um den Vorwurf des Rassismus gegen die Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia.« Diesen Vorwurf teilen neben Amnesty International und der größten schwarzen US-Bürgerrechtsorganisation NAACP auch das Europaparlament, viele Parteien, Prominente und eine seit über zwanzig Jahren aktive Solidaritätsbewegung.
Offensichtlich scheute der Oberste Gerichtshof im Januar aber die letzte Konsequenz der Bestätigung des Todesurteils und verwies den Fall noch einmal an das Bundesberufungsgericht zurück.
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Jürgen Heiser
Junge Welt, 23.09.2010
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