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»Kuba wird nicht kapitalistisch«
José Bell Lara über die Notwendigkeit und die Risiken der Wirtschaftsreformen


Der kubanische Sozialwissenschaftler José Bell Lara befürwortet die aktuellen Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung in Havanna. Bell Lara hat mehrfach über die kubanische Revolution im Kontext der Globalisierung geschrieben, so seine Essays »Globalisierung und kubanische Revolution (2002) und »Kubanischer Sozialismus in der Globalisierung« (2007). Über die Reformvorhaben sprachen mit dem an der Universität von Havanna lehrenden Professor für ND Johannes Wilm und Michael Böhner.

ND: Die kubanische Regierung hat kürzlich umfassende Wirtschaftsreformen angekündigt. Was erwarten die Kubaner von diesen Veränderungen?

Lara: Kuba spürt neben dem jahrzehntelangen Embargo die jetzige tiefe und weltweite Wirtschaftskrise. Um das sozialistische Projekt zu bewahren, brauchen wir mehr wirtschaftliche Effizienz, mehr Produktivität und natürlich mehr Gewinn, um den Lebensstandard anheben. Wir hatten lange Zeit eine paternalistische Politik des kubanischen Staates. Es sind viel mehr Leute eingestellt worden als notwendig waren. Wo fünf Menschen gebraucht wurden, waren es acht. Die Arbeiter produzierten nicht mehr, sondern weniger, denn sie traten sich gegenseitig auf die Füße. Wir wollen gute und effektive Arbeit und für alle Kubaner die Chance darauf.

Bedeutet das steigende Arbeitslosigkeit?

In Kuba wird niemand in die Arbeitslosigkeit verabschiedet. Deshalb wird der Effizienzprozess im staatlichen Sektor zielgerichtet mit dem Ausbau der Kooperativen und privaten Initiativen verbunden. Um die Dimension aufzuzeigen: Über 100 000 Einzelpersonen erhalten Land zur Bewirtschaftung für relativ einfachen Feldanbau und für die wichtigsten Anbaukulturen Kubas.

Welche Entwicklung gibt es in den Städten Kubas?

In den Städten sollen Dienstleistungen von der Hausreparatur, der Schuhherstellung, im Sanitärbereich bis zu persönlichen Dienstleistungen sowohl durch Selbstständige wie auch als Genossenschaft erbracht werden. Baugenossenschaften sollen im großen Umfang Baumaterialien herstellen und Bauleistungen anbieten. Damit lösen wir die soziale Frage zweifach: Es werden Wohnungen geschaffen, es gibt gute Arbeit und eine stärkere Wirtschaft. Neue Mechanismen sollen ausprobiert werden. Zum Beispiel könnten im öffentlichen Busverkehr Lizenzen an Genossenschaften vergeben werden. In Havanna gibt es derzeit 23 Mini-Unternehmen. Einige von ihnen sind Eigentum der Kommune und andere sind Genossenschaften. Es gibt eine Genossenschaft, die produziert Joghurt. Eine andere produziert Sojasauce. Keine großen Unternehmen, aber sie wirtschaften gut, versorgen die Habaneros.

Aber wenn die Produktion in privaten Unternehmen organisiert ist, was ist dann der Unterschied zu einem kapitalistischem System?

Der Unterschied liegt im Charakter. Die grundlegenden Produktionsmittel sind in Staatsbesitz und werden im Interesse der Mehrheit betrieben, wie die Zuckerindustrie, der Bergbau, die Biotechnologie, und die Elektronik. Mit der Reform wird die Funktion des Staates, sowohl auf nationaler Ebene wie auch auf lokaler Ebene, präziser bestimmt: wirtschaftliche Tätigkeiten in Gang setzen, die zum Vorteile der Gemeinschaft das Land bereichern.

Wie werden die gegenwärtigen ökonomischen Probleme der kubanischen Gesellschaft darüber hinaus gelöst?

Zweifellos sind die neuen Reformen nicht isolierte Vorgänge. Die Probleme in der Ernährungssicherheit und im Gesundheitswesen sind bereits vor den Reformen angegangen worden. Die Entwicklung der Biotechnologie verhalf uns zu neuen Impfstoffen und machte uns unabhängiger von Importen. Ich nenne das die wissenschaftlich-produktive Konstellation der Gesundheit. Diese langfristig angelegten Konzepte tragen erste Früchte. Ich bin mir sicher, dass wir von der Universität für Bio-Informatik ähnliche Impulse im Bereich der Informationstechnologie in der Zukunft erhalten werden. Weiterhin wurde die bisherige Strategie der suburbanen Landwirtschaft in den Außengebieten von verschiedenen Städten jetzt durch die Etablierung von Biolandbau in den Innenstädten ausgeweitet. Dabei richten sich die Bemühungen des kubanischen Staates auf die Aktivierung der Eigeninitiative. Das ist in diesem Umfang neuartig. In der Austeilung von landwirtschaftlichen Flächen an Einzelpersonen gibt es sogar Kommunen, wo die Nachfrage größer ist als das Angebot.

Seit den frühen 90er Jahren ist ausländisches Kapital in Kuba präsent. Kann Kuba dem Kapitalismus widerstehen?

Der Kapitalismus ist eine Produktionsweise, deren Auswirkungen sich nicht an der Höhe der Investition von ausländischem Kapital festmachen lässt. Er bringt einen Lebensstil, Lebensformen und andere Formen des Denkens hervor. Es ist eine Vernunftsehe: Die ausländischen Kapitalisten investieren hier ihr Kapital, um Geld zu verdienen. Wir benötigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um Arbeitsorganisation und Produkte zu verbessern, damit wir diese auf dem weltweiten Markt verkaufen können.

Wie wirkt sich der Ausbau des Tourismus auf die Gesellschaft in Kuba aus?

Kuba besuchten im Jahr 1989 maximal 200 000 Touristen. Nun kommen jährlich mehr als eine Million. Die Hotels in Kuba gehören uns und im Vorstand des Hotels sitzen Kubaner. Und es gibt auch andere Hotels wie das Hotel Nacional, dass komplett von Kubanern verwaltet wird. Zweitens steuern wir die großen Investitionen durch Einzelgenehmigungen. Es ist ein sehr rigoroser Prozess, aber sicherer für das Land. Bei alledem hat das Ganze gerade im Tourismus den Preis ideologischer Beeinflussung. Es ist wahr, dass Menschen, die mit ausländischen Touristen arbeiten, viel mehr verdienen als der durchschnittliche Kubaner. Ein Ingenieur verdient viel weniger als jemand der in einem Hotel die Tür aufhält. Aber nur weil es dieses Phänomen gibt, können wir die Notwendigkeit der Revolution nicht leugnen. Kuba wird nicht kapitalistisch.

Neues Deutschalnd
Neues Deutschland 09.11.2010









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