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»Die Revolution radikalisieren«


Ecuadors Sicherheitskräfte wurden durch die CIA unterwandert, aber Obama war nicht in den Putschversuch vom 30. September verwickelt. Ein Gespräch mit Rafael Correa

Sie haben offen erklärt, daß die Geheimdienststrukturen Ecuadors durch die CIA unterwandert wurden...

Weil es so ist. Als ich an die Regierung kam, hatte dieses Thema für mich aufgrund meiner akademischen Herkunft ehrlich gesagt keine Priorität. Das war mein großer Fehler. Was hat mich in die Realität zurückgebracht? Der 1. März 2008, als wir Belege dafür hatten, daß die Sicherheitsbehörden des ecuadorianischen Staates vorher von dem kolumbianischen Angriff auf Angostura wußten und uns nicht informierten. Sie wiesen die US-Botschaft darauf hin.

Davon ausgehend, bemerkten wir, daß diese Einheiten Geldzahlungen aus den USA erhielten. Es wurde eine Kommission gebildet, die dies untersuchte, und zu ihren Empfehlungen gehört, diese Strukturen aufzulösen. Wir haben Beweise dafür, daß der Chef dieser Dienste, Oberst Mario Pazmiño, Angestellter der CIA war.

Als ich ihn entließ und wir entschieden, daß wir die Führung dieser Einheit ernennen werden, entschied die Botschaft der Vereinigten Staaten, die gespendete Ausrüstung zurückzuholen. Aber die Direktoren haben ihnen nicht nur die Ausrüstung, ihre Busse, die Computer übergeben, sondern auch die auf den Computern gespeicherten Informationen! Stellen Sie sich vor, so dienerisch waren diese Leute!

Welche Auswirkungen hatte diese Säuberung auf die inneren Sicherheit?

Wir wurden auf Null zurückgeworfen. Alle Geheimdienstkader arbeiteten für die CIA. Wir mußten alternative Kader suchen, die man nicht von heute auf morgen ausbilden kann. Erst 2009 konnten wir das Gesetz über das nationale Geheimdienstsystem verabschieden.

Können Sie sich derzeit auf die Loyalität der Streitkräfte verlassen?

Sie haben sich professionell verhalten. Nicht alle, aber im allgemeinen sind sie dieser Regierung dankbar, denn wir haben ihr Gehalt verdoppelt und sie ausgerüstet. Als wir an die Regierung kamen, haben wir sie in einem hilflosen Zustand vorgefunden. Nur 7000 der 42000 Polizisten hatten Waffen. Wir haben sie mit Streifenwagen, Munition, Funkgeräten ausgerüstet. Dasselbe bei der Luftwaffe. Am Anfang hatten wir praktisch nichts, nicht einmal Hubschrauber. Heute haben wir bereits 14 Super-Tocano-Kleinflugzeuge. Aber es gibt harte Gruppen mit politischen Verbindungen, die weder die Luftwaffe noch die Demokratie interessieren, sondern die ihre Privilegien behalten und ihr repressives Verhalten nicht ablegen wollen.

Welche Mittel haben die Bürger, um sich gegen solche Verschwörungen zu wehren?

In dieser Frage haben Hugo Chávez und Evo Morales uns Vorteile voraus. Chávez kommt aus einer militärischen Laufbahn, kennt sich dort aus und hat das riesige politische Kapital genutzt, das er in organisierten Strukturen hat. Evo kommt aus den sozialen Bewegungen, aus einem langen Kampf, und hat die Unterstützung dieser gesamten Basis. In Ecuador ist das Projekt Alianza PAIS eine Reaktion der Bürger auf all das Elend und die ganze Ausbeutung. Ehrlich gesagt bin ich kein Experte für Fragen des Militärs oder der Polizei. Die Herausforderung der Bürgerrevolution ist, die Unterstützung des Volkes, die wir haben, in mobilisierte Strukturen zu verwandeln, das ist die beste Weise, solche Bestrebungen zu zerschlagen.

Sie kommen von der Hochschule, aber als Vertreter einer Volksbewegung. In den 90er Jahren war Ecuador ein Pionier bei der Beteiligung der indigenen Bewegung. Diese aber ist nicht mehr die Basis Ihrer Regierung?

Wir haben die Unterstützung vieler sozialer Bewegungen. Aber Vorsicht, der Begriff der sozialen Bewegungen ist schon sehr abgegriffen. Heute ist alles mögliche eine soziale Bewegung, während viele ihrer Anführer in Wahrheit gescheiterte Politiker sind, die Wahlen verloren haben und von ihren Strukturen aus Politik machen, um ihre Agenda durchzusetzen.

Es gibt eine soziale und indigene Bewegung, die auf der Seite des Status quo, der Rechten, ist. Man muß die Spreu vom Weizen trennen. Sie haben Recht, das Erwachen der indigenen Bewegung Ecuadors in den 90er Jahren war die wichtigste soziale Bewegung Lateinamerikas. Und wir sind auf ihrer Seite. Aber diese ursprüngliche Reinheit ist stark verzerrt worden. Diese Bewegung hat sich eine politische Partei geschaffen, Pachakutik. Deren Führung ist von einigen Anführern besetzt, die mit der Rechten stimmen, und am 30. September forderten sie den Rücktritt des Präsidenten. Das ist äußerst schade. Die CONAIE und Pachakutik sind vollkommen vom Kurs abgekommen.

Sie sprachen von der Unterwanderung durch die CIA, aber nicht von der US-Regierung. Welche Rolle spielte diese bei dieser Geschichte?

Ich glaube, als Regierung haben die Vereinigten Staaten nicht interveniert. Wir schließen nicht aus, daß einige Sektoren beteiligt waren, die auch gegen Präsident Barack Obama handeln. Darüber habe ich keine Beweise, aber ich schließe nicht aus, daß sie sich in der einen oder anderen Weise eingemischt haben. Wen ich dabei aber ausschließe, weil ich Vertrauen zu ihnen habe, sind Hillary Clinton und Präsident Obama.

Sie haben eine Vertrauensbeziehung zu Obama?

Nach dem 30. September hat er mich ein paarmal angerufen, sehr herzlich und besorgt darüber, was in einigen Publikationen gesagt wurde. Er versicherte mir, daß er nichts damit zu tun habe. Ich habe ihm geantwortet, daß er mir nichts erklären müsse. Er ist ein guter Mensch, aber er hat die Einmischung durch einen Großteil des politischen Apparats der Vereinigten Staaten nicht zurückdrängen können.

Die Version, daß es am 30. September keinen Putschversuch gegeben habe, ist auf großes Echo gestoßen. Der Zweifel ist gesät. Was wird damit bezweckt, wenn die Beweise geleugnet werden?

Die Ignoranz der Rechten und bestimmter Medien ist so groß, daß sie nicht einmal wissen, daß eine der grundlegenden Kategorien der lateinamerikanischen politischen Soziologie ist, jede Erhebung der öffentlichen Gewalt bereits als Staatsstreich zu werten. Es gab eine politische Agenda, die in dem Augenblick in Gang gesetzt wurde, als ich beim Regiment in Quito ankam und sie den Konvoi des Präsidenten umstellten. Dort war der Stellvertreter von Oberst Lucio Gutiérrez, Fidel Araujo, mit kugelsicherer Weste und leitete die Operation. Anschließend erklärte er, er sei dort gewesen, um sein in der Nähe lebendes Mütterlein zu besuchen.

Was soll diese Strategie?

Sie wollen uns diskreditieren. Sie leugnen den Mordversuch und daß ich entführt wurde. Es gibt die Beweise, es gibt die Toten, die Aufnahmen der Funksprüche aus den Streifenwagen mit dem Befehl »Tötet Correa«. Versuchst du bei einem Protest von Polizisten für höhere Löhne Fernsehantennen, den offiziellen Fernsehkanal, zu besetzen, und schließt du den Flughafen? Ich glaube, mit diesen Lügen geben sie sich zu einem guten Zeitpunkt der Lächerlichkeit preis.

Entschuldigen Sie die Frage, aber was fühlten sie in dieser Situation?

Mehr als Angst spürte ich eine riesige Empörung über den Verrat. Und Traurigkeit. Wenn ich hätte sterben müssen, hätte ich den Prozeß auf halbem Weg, meine Familie, meine Kinder zurückgelassen. Es gab unter meinen Leuten fünf Tote und Dutzende Verletzte. Es ist ein wirkliches Wunder, daß ich noch lebe, denn sie haben auf uns geschossen.

Und wie fühlen Sie sich jetzt, politisch gemeint. Welche Perspektiven hat Ihr Projekt?

Einige sagen, daß der 30. September ein Sieg gewesen sei, weil er unsere Popularität gesteigert hat. Ich aber fühle mich als Verlierer. Ich würde auf diese Prozentpunkte Popularität verzichten, wenn ich den Jugendlichen, die an diesem bitteren Tag gestorben sind, das Leben zurückgeben könnte. Mein Leibwächter liegt in einem Krankenhaus in den USA. Gott gebe, daß er nicht querschnittsgelähmt bleibt. Wir alle haben verloren.

Ist dies der Zeitpunkt, die Richtung zu ändern, die Revolution zu bremsen, oder im Gegenteil einige Maßnahmen zu radikalisieren?

Natürlich zu radikalisieren. Was und warum sollten wir ändern? Wir haben größere Unterstützung als je zuvor. Wir dürfen nicht vor mörderischen Kugeln zurückweichen. Das würde bedeuten, diejenigen zu verraten, die an diesem Tag gestorben sind, und die heldenhafte Bevölkerung, die unbewaffnet auf die Straße gegangen ist, um die Demokratie zu verteidigen. Versöhnung mit Verbrechern ist unmöglich, das würde bedeuten, Straflosigkeit zuzulassen. Wir werden weitermachen, und mehr noch: Wir werden die Revolution radikalisieren.

Das vollständige Interview erschien zuerst in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada (Mexiko)
Übersetzung: André Scheer


junge Welt Interview: Blanche Petrich
Junge Welt, 11.11.2010








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