Startseite

FG BRD-Kuba

Cuba Libre

Informationen

Miami 5

Projekte


Termine

Presse

Buchtips

Reisen


Links

Downloads

Impressum


Newsletter anfordern:
Aktuelles über unseren email-Verteiler: e-mail


Visionen des Realisten Raúl Castro
Kubas Führung stellte Weichen für die Zukunft


Kubas Gewerkschaftszentrale CTC kündigte Mitte September an, daß bis April 2011 eine halbe Millionen Stellen im öffentlichen Dienst und bei staatlichen Unternehmen gestrichen werden. Betroffen ist rund ein Achtel derer, die bisher in diesem Sektor ihre Löhne und Gehälter bezogen haben. Die Freigesetzten könnten z.B. in der Landwirtschaft und anderen Bereichen, wo akuter Arbeitskräftemangel herrsche, Beschäftigung finden, heißt es. Auch die Aufnahme einer selbständigen handwerklichen Tätigkeit werde gestattet.

Handelt es sich hier um einen Bruch mit dem Sozialismus?

Die Vorhaben, um die es geht, werden der Bevölkerung nicht von einem Tag auf den anderen übergestülpt, sondern sind innerhalb der kubanischen Führung aber auch in der Öffentlichkeit seit langem gründlich diskutiert worden, bevor sie Präsident Raúl Castro im August der obersten Volksvertretung in Havanna unterbreitete.

Nach dem Wegfall der Sowjetunion sowie der um sie gruppierten europäischen sozialistischen Staaten und angesichts der verschärften ökonomischen Blockade seitens des Imperialismus sah sich Kuba in den 90er Jahren einer als "Sonderperiode" umschriebenen ökonomischen Zerreißprobe von beispiellosem Ausmaß gegenüber. Deren Folgen sind auch heute noch zu spüren. Fast über Nacht wurde die karibische Inselrepublik von allen bisherigen Verbindungen abgeschnitten, Industrie und Landwirtschaft stürzten buchstäblich in ein schwarzes Loch. Aber der sozialistische Staat nahm auch unter derart mißlichen Umständen keine Massenentlassungen vor, wie sie im Kapitalismus sofort erfolgt wären. Dadurch entstand ein enormes Maß an Überbeschäftigung – allein im öffentlichen Sektor waren etwa 20% der dort Tätigen völlig unnötig. Diese Situation untergrub zwangsläufig auch die Stabilität der nationalen Währung – des Peso -, was zur Folge hatte, daß das devisenarme Land sämtliche Importe äußerst teuer bezahlen mußte.

Bis zu ersten Hälfte dieses Jahrzehnts galt in der kubanischen Wirtschaft gewissermaßen das Prinzip "Friß Vogel oder stirb!". Dann setzte sich Schritt für Schritt ein von ökonomischen Kriterien bestimmtes Herangehen durch.

Nachdem Fidel Castro im November 2005 sein gesundheitsbedingtes Ausscheiden aus der Staatsführung signalisiert hatte, eröffnete sein die Verantwortung übernehmender Bruder Raúl – kein Mann der großen Gesten, aber ein Realist mit Visionen – einen ebenso freimütigen wie tabulosen Dialog mit der Bevölkerung über alle drückenden Probleme, die großen wie die kleinen. Dabei ging es dem neuen Präsidenten um ein ökonomisches Modell, das heutigen und künftigen Herausforderungen entsprechen soll. Sorgfältigen Recherchen folgten konkrete Pläne. Doch bevor an deren Verwirklichung gegangen werden konnte, wurde Kuba in den Jahren 2008 und 2009 hart getroffen: von drei aufeinanderfolgenden schweren Wirbelstürmen sowie den Auswirkungen de internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise.

Nichtsdestotrotz hielt sich die sozialistische Republik beachtlich. Zwischen 2004 und 2009 erreichte Kuba Zuwachsraten von durchschnittlich 6%, verglichen mit 3,6% im Maßstab Lateinamerikas. So war der Moment gekommen, sich nunmehr den strukturellen Defiziten zuzuwenden. Havanna sieht sich dabei mit zwei fundamentalen Problemen konfrontiert: Unter sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Aspekten kann sich Kubas gesellschaftliches System mit reichen und hochentwickelten Ländern durchaus meßen, während es in seiner wirtschaftlichen Leistungskraft eher auf dem Niveau der anderen Karibikstaaten verharrt.

Dieser Widerspruch – auch eine Folge der anhaltenden Blockade – führt bei der Bevölkerung zwangsläufig zu Erscheinungen von Passivität. Der belgische Journalist Marc Vanderpitte, auf dessen Artikel wir uns hier u.a. stützen, schilderte die Stimmungslage so. "Du bist ein großer Pianist, kannst dir aber privat kein Klavier kaufen. Du bist ein bekannter Chirurg ohne eigenes Auto oder ein Ingenieur, dem das Telefon fehlt." Die infolge nur geringer Konsumptionsmöglichkeiten für Nichtbesitzer von Valuta herrschende Frustration bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf die Produktionssphäre.

Wie kann man Menschen zu effizienter Arbeit bewegen, wenn sie sich für ihr Einkommen nicht das leisten können, was sie begehren und auch benötigen?
Wie kann man hochqualifizierte junge Leute für eine Tätigkeit in der Landwirtschaft - bei über 30 Grad Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit – gewinnen, wenn außer dem Arbeitsplatz vieles nicht abgesichert ist?, fragt Vanderpitte rhetorisch. Ein weiteres Manko ist wiederum mit den Auswirkungen der Sonderperiode verbunden. Der Lohn, der den Beschäftigten in Landeswährung gezahlt wird, ist im Vergleich mit dem anderswo schwächelnden Dollar oder der kubanischen Touristenwährung CUC fast ohne Wert. Egal, ob jemand hart oder gar nicht arbeitet, mit seinem Gehalt kann er kaum etwas anfangen, sieht man vom Kauf der allen Kubanern per Libreta gewährten Grundversorgung ab. Die indes allein zum Leben nicht ausreicht.

Mit anderen Worten: Es gibt keine unmittelbare Beziehung zwischen Beschäftigung, Einkommen und Kaufkraft. Eine solche Situation wirkt demotivierend, zumal ein Teil der neuen Generation nicht mehr von der Selbstlosigkeit der alten revolutionären Garde geprägt ist. Das fundamentale Problem besteht wohl darin, daß sich der kubanische Arbeiter heute weniger als vor der Sonderperiode für die Produktion seines Betriebes verantwortlich und als Eigentümer der vergesellschafteten Produktionsmittel empfindet, was bekanntlich der entscheidende Hebel im Sozialismus ist. Entsprechende Erfahrungen wurden ja auch in der DDR gesammelt.

Das anliegen einer schrittweisen Gesundung der kubanischen Wirtschaft auf sozialistischer Grundlage, das Raúl Castro und seine Mitstreiter jetzt anvisieren und entschlossen in Angriff nehmen, dürfte viel Kraft, Kühnheit und Ausdauer erfordern.

junge Welt RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel
1. Dezember 2010









Spenden


Mitglied werden


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba bei Facebook


Logo junge Welt

Logo Soliarenas

Logo Komitee Basta Ya

AG Kuba-Solidarität - DKP

Logo amerika21.de

Logo Che

Logo Aktionsbuendnis Venezuela Berlin

Logo TeleSur