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Im Geist von Soweto
17. Weltjugendfestspiele in Südafrika mit großer Friedensdemonstration abgeschlossen. Teilnehmer ziehen positive Bilanz nach schwierigem Start
Mit einer farbenfrohen Friedensdemonstration zu den Union Buildings, dem Sitz der südafrikanischen Regierung, sind am Dienstag in Pretoria die 17.Weltjugendfestspiele der Jugend und Studenten zu Ende gegangen. Als die Abschlußkundgebung vor dem mächtigen Regierungspalast mit der neuen südafrikanischen Nationalhymne begann, war die besondere Bedeutung der Tatsache, daß das Festival auf südafrikanischem Boden stattfand, plötzlich wieder allgegenwärtig. Zu Apartheidzeiten war der 1913 fertiggestellte Prachtbau Amtssitz der rassistischen Unterdrücker, und noch vor 21 Jahren wäre es undenkbar gewesen, hier die erste Strophe der fünfsprachigen Hymne, »Nkosi Sikelel’ iAfrika« zu singen.
Eine inoffizielle Hymne der Weltjugendfestspiele unter dem Motto »Für eine Welt des Friedens, der Solidarität und des sozialen Wandels, laßt uns den Imperialismus besiegen« wurde das Freiheitslied zum Gedenken an Solomon Mahlangu. Der damals 19jährige schlich sich 1976 nach dem blutig niedergeschlagenen Schüleraufstand in Soweto nachts aus dem Haus und schließlich auch aus seinem Heimatland. Er ließ sich als Soldat des bewaffneten Arms des ANC, Umkhonto we Sizwe, ausbilden und kehrte ein Jahr später nach Südafrika zurück, um an einem Gedenkmarsch für die Toten des Massakers von Soweto teilzunehmen. Die Reise endete in einer Polizeikontrolle. Weil bei einer anschließenden Schießerei zwei Zivilisten starben, wurde Solomon Malanghu 1979 im Alter von 23 Jahren hingerichtet. Das Lied ehrt ihn als Soldaten und Sohn Afrikas. Während der neun Tage des Festivals reckten immer mehr Delegierte ihre Fäuste zu der eingängigen Melodie in den Himmel.
Vertreter aus Dutzenden Ländern nutzten das Festival, um auf die Auswirkungen des Imperialismus in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Aus Kuba waren zwei Töchter der in den USA inhaftierten »Cuban Five« nach Südafrika gereist, die unter anderem berichteten, wie die Ermittler psychischen Druck auf die Familien ausübten. Ein Delegierter aus Namibia verlangte von Deutschland Reparationszahlungen für den Völkermord an den Herero und Nama, damit deren Hinterbliebene wenigstens einen Teil ihres von den weißen Siedlern geraubten Landes zurückkaufen könnten. Außerdem forderte er die Regierung in Berlin auf, 3000 Schädel ermordeter Herero zurück nach Namibia zu überführen. Die Deutschen hatten sie während ihres Feldzuges in dem südwestafrikanischen Land von den Körpern der Ermordeten abgetrennt und für »Rassenkunde«-Untersuchungen nach Deutschland gebracht.
Die Diskussionen, Veranstaltungen, Aktionen, Feiern und die hier möglich gewordene Vernetzung revolutionärer Jugendlicher aller Kontinente sowie die beeindruckenden Berichte aus aller Welt während des Antiimperialistischen Tribunals waren es letztlich, die das Festival nach anfänglich großen Organisationsproblemen um Verpflegung, Unterkunft und Transport sowie vielen ausgefallenen Seminaren noch zu einem Erfolg werden ließen. Tatjana Sambale vom Bundesvorstand der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) zeigte sich gegenüber jW vor allem von ihren Kontakten mit Südafrikanern und Menschen aus vielen anderen Ländern beeindruckt: »Die Menschen streben nach einem Leben frei von imperialistischer Unterdrückung und kämpfen dafür in vielfältiger Art und Weise. Die Erfahrung, wie andere Jugendliche weltweit diesen Kampf führen, mit welchen Erfolgen, aber auch mit welchen Schwierigkeiten, ist das, was wir neben der unglaublichen Herzlichkeit der Gastgeber mitnehmen werden.«
Christian Selz, Pretoria
Junge Welt, 22.12.2010
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