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»163 Länder haben Nachteile durch Blockade«
Die USA haben ihren Handelskrieg gegen Kuba seit dem vergangenen Jahr verschärft. Ein Gespräch
mit Gerardo Peñalver Portal
Gerardo Peñalver Portal ist Botschafter der Republik Kuba in der Bundesrepublik Deutschland
Mit Blick auf die diesjährige UNO-Vollversammlung hat die kubanische Regierung jetzt einen
Report über die Folgen der Wirtschaftsblockade durch die USA veröffentlicht. Wie wirkt sich
dieses Embargo im einzelnen aus?
Die UN-Generalversammlung wird zum 17. Mal eine Resolution verabschieden, die diese unmenschliche Blockade
verurteilt, die sich in den acht Jahren unter US-Präsident George Bush noch verschärft hat. Nur
ein Beispiel: Obwohl Kuba unter den Hurrikanen Gustav und Ike schwer gelitten hatte, dürfen in den
USA lebende Kubaner ihren Verwandten auf der Insel nur sehr eingeschränkt Geld schicken. Für den
Wiederaufbau brauchen wir Dachelemente und Baumaterial – das dürfen wir in den USA aber nicht kaufen.
Zur Unterstützung der Konterrevolution haben die USA 46 Millionen Dollar ausgegeben – als
humanitäre Hilfe wollten sie uns aber nur fünf Millionen geben. Das haben wir abgelehnt, statt
dessen aber die zumindest zeitweise Aufhebung der Blockade gefordert, damit wir Baumaterial kaufen
können. Aber die US-Regierung ist nicht darauf eingegangen.
Kann man den bislang durch die Blockade entstandenen Schaden beziffern?
In 46 Jahren ist ein Schaden von 93 Milliarden US-Dollar entstanden – gerechnet bis Dezember 2007. Seit
vergangenem Jahr sind die US-Behörden sogar dazu übergegangen, die Internetanbindung Kubas zu
stören: Hunderte kubanischer Homepages sind seitdem blockiert, sogar Seiten europäischer
Reiseveranstalter, die Urlaub auf Kuba anbieten. Auch wissenschaftliche Internetforen wurden gesperrt, so
daß unsere Mediziner von der internationalen Fachdiskussion abgeschnitten sind. Es gibt viele andere
Beispiele.
Sind auch nichtamerikanische Handelspartner Kubas von der Blockade betroffen?
In Drittländern angesiedelte Tochtergesellschaften von US-Firmen dürfen mit uns keinen Handel
treiben. Waren, die Bestandteile kubanischer Herkunft enthalten, dürfen auch von europäischen
oder lateiamerikanischen Firmen nicht in den USA verkauft werden. Bei Verkäufen an Kuba dürfen
die Waren höchstens zehn Prozent US-Bestandteile haben – sonst hat die Handelsfirma mit Sanktionen zu
rechnen. Kuba handelt mittlerweile mit 163 Ländern, sie alle haben durch die Blockade Nachteile.
Die Hurrikane haben einen großen Teil der Ernte in Ihrem Land vernichtet. Wie wollen Sie die
Bevölkerung versorgen, und das unter den Bedingungen der Blockade?
Das war die schlimmste Naturkatastrophe seit Jahren. Zum Glück haben wir Erfahrung darin, die
Bevölkerung zu schützen – es wurden 2,5 Millionen Menschen evakuiert, es gab nur sieben Tote.
Der materielle Schaden beträgt umgerechnet rund fünf Milliarden US-Dollar, nach vorläufiger
Schätzung. Wir haben natürlich sofort mit dem Wiederaufbau begonnen, die Landwirtschaft
konzentriert sich jetzt auf Produkte, die schnell geerntet werden können.
Stark geholfen hat uns die Solidarität aus aller Welt. Bisher haben 71 Länder und zwölf
internationale Organisationen Hilfe angeboten. 2500 Tonnen Spenden sind auf Kuba angekommen, uns wurden
insgesamt 51 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Vor allem Drittwelt-Länder haben sich solidarisch
gezeigt.
Auf der europäischen Ebene scheint sich allerdings die Bereitschaft anzudeuten, das Embargo gegen
Kuba zu lockern. Haben Sie nähere Hinweise?
Die EU hat Ende Juni die 2003 verhängten diplomatischen Sanktionen gegen Kuba definitiv aufgehoben.
Jetzt müssen wir prüfen, unter welchen Umständen wir die Entwicklungszusammenarbeit und den
politischen Dialog wiederaufnehmen können.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat kürzlich in New York seinen kubanischen
Kollegen Felipe Pérez Roque getroffen. Sind die Beziehungen zur BRD entspannter geworden?
Dieses erste Außenministertreffen seit vielen Jahren war ein politisches Signal. Es war ein Zeichen
dafür, daß die BRD eine konstruktivere Rolle bei der Definition der Beziehungen zwischen der EU
und Kuba spielen will. Deutschland hat auch während der EU-Ratspräsidentschaft in der ersten
Hälfte 2007 eine positive Rolle gespielt mit dem Ziel, die Sanktionen gegen Kuba aufzuheben. Wir
erkennen das durchaus an.
Interview: Peter Wolter
Junge Welt, 16.10.2008
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