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Eine Bilanz nach Ende der EU-Sanktionen gegen die Karibikinsel. US-Blockadepolitik geht weiter

Die Europäische Union hat die Zusammenarbeit mit der sozialistischen Regierung in Havanna offiziell wiederaufgenommen. Ein entsprechendes Rahmenabkommen unterzeichnete Ende vergangener Woche der EU-Entwicklungskommissar Louis Michel auf Kuba. Vier Monate zuvor hatten die Europäer die damals noch aktuellen, lediglich suspendierten Sanktionen gegen Kuba vollständig aufgehoben. Das bedeutet aber nicht unbedingt, daß es eine grundsätzliche Änderung in der Haltung gegenüber Havanna gibt.
Schon in der Vergangenheit hatten einige österreichische, britische, irische und deutsche Parlamentarier wiederholt vorgeschlagen, das – wie sie es nennen – Embargo aufzuheben. Das geschah nicht aus politischen oder humanistischen Gründen: Die Verabschiedung kubafreundlicher Resolutionen innerhalb der EU oder auch durch Vertreter europäischer Regierungen innerhalb der UN-Gremien zielte nicht darauf, der Verletzung der Menschenrechte durch die USA aufgrund des extraterritorialen Charakters der Helms-Burton-Gesetze entgegenzuwirken. Vielmehr wurden spezifische staatliche, föderale oder regionale Interessen ebenso verfolgt wie die Förderung der Vorhaben europäischer Großunternehmen, die sichere Märkte bewahren und erweitern wollen.
Letzteres zu gewährleisten war in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Denn die weltweite und wachsende Transnationalisierung hatte sich auch im Ankauf von Ak­tien europäischer Unternehmen durch US-Konzerne niedergeschlagen – ebenso wie in der Verbreitung von Filialen nordamerikanischer Unternehmen auf dem alten Kontinent. Außerdem ermöglicht es die fortgeschrittene Technologie und die informationelle Vernetzung dem US-Geheimdienst, wirtschaftliche Transaktionen, die Verwendung von kubanischen Rohmaterialien und Patenten, sowie den Abschluß von Verträgen schneller zu entdecken.
Kubas Regierung führt eine Liste über die Folgen der US-Blockade und den diplomatischen Druck auf die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der Antilleninsel und der EU. Diese ist mittlerweile allerdings so lang, daß wir hier nur einige Beispiele aus den letzten Jahren zitieren werden können.

Politische Folgen
Was die politischen Folgen betrifft: Die rechte spanische Volkspartei (PP) beschuldigte die autonome Regierung Andalusiens, daß sie etwa 200.000 Euro für ihren Buchmesseauftritt in Havanna ausgegeben habe. Der deutsche Bundestag wies einen Antrag der Partei Die Linke zurück, Washington zu einer Aufhebung der Sanktionen zu drängen. Die kubanische Nationalversammlung konnte 2007 den Beitrag für die Interparlamentarische Union und das Lateinamerikanische Parlament nicht entrichten, weil die UBS-Bank, die Bank von Genf, die Finanzgruppe Banistmo und eine Filiale der Londoner Lloyd’s sich auf die Blockaderegelungen berufend, weigerten, die kubanischen Zahlungen entgegenzunehmen.

Ökonomische Folgen
Was die wirtschaftlichen Folgen betrifft: Der Kauf des belgisch-brasilianischen Braukonsortiums InBev durch die US-Brauerei Anheuser-Bush führte zur Einstellung von dessen Bierproduktion auf Kuba. Das kubanisch-französische Joint-venture Los Portales, das Mineralwasser- und Erfrischungsgetränke herstellt, erlitt einen Rückschlag durch die Entscheidung des mexikanischen Dosenfabrikanten FAMEX S.A. de CV, wegen Helms-Burton den Aluminiumlieferanten zu wechseln. Dasselbe Schicksal erlitt das Bier produzierende kubanisch-belgisch-brasilianische Joint-venture Bucanero.
Siemens lehnte es ab, eine für die Krebsforschung eingerichtete Gammakamera zu reparieren und verwies auf die US-Herkunft der Ersatzteile und das Fehlen einer Exportlizenz. Die Merck AG ließ mitteilen, daß die britische Gesellschaft Whatman von der US-amerikanischen GE Healthcare aufgekauft worden war, weswegen sie alle kubanischen Bestellungen stornieren mußte. Bei den französischen Unternehmen P & O Needlloyd und CMA-CGM wurden Guthaben in Höhe von 56.000 und 500.000 US-Dollar beschlagnahmt, weil sie ihre Transaktionen mit dem Containerterminal in Havanna in Dollar durchgeführt hatten.
Und der britische Reiseveranstalter Steve Marschall erfuhr Repressalien durch das US-Finanzministerium, das seine Webseiten vom Netz nahm, weil »er US-Amerikanern half, die Reisebeschränkungen nach Kuba zu umgehen und Ressourcen schuf, die dem kubanischen Regime dienten«. Auch auf die britischen Banken Lloyds TSB, Barclays, Royal Bank of Scotland und HSBC wurde Druck ausgeübt, damit sie die Bestimmungen der Blockade erfüllen.
Heute allerdings scheinen die USA kaum mehr dazu in der Lage zu sein, ihre Sanktionen gegen Länder, die die Blockade umgehen, durchzusetzen. Dennoch halten sie an ihren gewohnten Verfahrensweisen fest: Sie üben den Druck trotz der weltweiten Finanzkrise weiter aus – und das unbeeindruckt von den UN-Resolutionen, die eine Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba fordern.

(Anmerkung der Redaktion: Am gestrigen Mittwoch beschäftigte sich die UN-Vollversammlung erneut mit der Blockade der USA gegen Kuba. Die USA wurden das 17. Jahr in Folge aufgefordert, ihr Handelsembargo gegen Kuba aufzuheben. Für die Resolution stimmten 185 der 192 UN-Mitglieder, damit gab es eine Jastimme mehr als im Vorjahr. Nur die USA, Israel und Palau stimmten dagegen, Mikronesien und die Marshallinseln enthielten sich.)

junge Welt Von Leyla Carrillo Ramírez, Havanna
Leyla Carrillo Ramírez ist Mitarbeiterin des Zentrums für Europäische Studien in Kuba
Übersetzung: Timo Berger
Junge Welt 30.10.2008







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