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Rezension: Der kolumbianische Journalist Hernando Calvo Ospina über ein Wirtschaftsimperium gegen das sozialistische Kuba.
Nachdem der Diktator Fulgencio Batista in der Neujahrsnacht 1959 Kuba verlassen und die Guerilla in
Havanna eingezogen war, ordneten die Chefs des traditionsreichen Rumkonzerns Bacardi an, ein Transparent
am Hauptsitz des Familienunternehmens anzubringen. Darauf stand in riesigen Buchstaben "Danke,
Fidel!" Auch als der Revolutionsführer im gleichen Jahr nach New York reiste, um erste Kontakte
zur US-Regierung aufzunehmen, war Jose Bosch, alias Pepín, damaliger Vorstandsvorsitzender
von Bacardi, Teil der Delegation. Die Zeiten haben sich seitdem gründlich geändert.
Das alte Gebäude der Rum-Dynastie Bacardi findet man noch heute in der Altstadt von Havanna. In der
Calle Belgica, zwischen der von Ernest Hemingway oft besuchten Bar Floredita und dem Revolutionsmuseum,
prangt der Familienname der Bacardis in braunem Marmor ueber den hohen Eingangstueren. Das Balkongitter
ziert eine Fledermaus, das Markenzeichen der Firma. Doch das Gebäude dient heute verschiedenen
internationale Firmen als Sitz, die auf Kuba vertreten sind. Bacardi unterhält derweil von Miami aus
beste Verbindungen zur US-Regierung. Nicht zufällig ist Miami auch Sitz der ultrarechten Organisationen
kubanischer Exilanten.
Der Kölner PapyRossa-Verlag hat nun einen schmalen Band des kolumbianischen Journalisten Hernando Calvo
Ospina herausgebracht, der die Geschichte des Familienkonzerns nachzeichnet. Auf rund 150 Seiten werden
Informationen aus dem Innenleben des Konzerns preisgegeben. Man bekommt einen hervorragenden Einblick
in die Mechanismen und Hintergründe von Bacardi, einem Konzern, der vor einigen Jahren auf den
Börsengang verzichtete, um keine Details des Unternehmens preisgeben zu müssen. Dafür hatten die
"rund 600 führenden Mitglieder, die meist verwandtschaftlich miteinander verbunden sind" guten
Grund. Obwohl das 1841 im Osten Kubas mit einem Gemischtwarenladen gegründete Unternehmen sich immer
der Insel verpflichtet fühlte, wurden spätestens mit der Expansion in der ersten Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts die Bindungen zu den USA enger - in den Zeiten der Prohibition von 1919
bis 1933 vor allem zur Mafia.
Nach deren Prinzip geht man bei Bacardi auch heute vor, war es doch der Mafia-Chef Al Capone, der
erklärte: "Alle meine Operationen richten sich streng nach den amerikanischen Regeln. Das amerikanische
System, nennen Sie es Amerikanismus, nennen Sie es Kapitalismus, gibt allen von uns unendliche
Möglichkeiten, wenn wir sie nur mit beiden Händen zu greifen und so weit wie möglich zu dehnen
wissen."
Und Bacardi dehnte diese Möglichkeiten gewaltig. Nach der kubanischen Revolution verlegte man den
Firmensitz zunaechst nach New York und dann nach Miami, bis heute das Zentrum terroristischer Gruppen,
die auf das engste mit der US-Politik bis ins Weisse Haus verstrickt sind. Wendepunkt der Beziehungen
zur Castro-Regierung war die Verstaatlichung des Firmenbesitzes auf der Insel. Bis dahin ging man in
der Chefetage des Konzerns wie lange Zeit auch in Washington wohl davon aus, dass sich der Spuk bald
erledigen würde. Ärgerlicherweise geht das Gespenst aber doch länger in Kuba um, als angenommen.
Schnell verlegte man sich bei Bacardi daher auf den offenen Krieg gegen die sozialistische Regierung.
Bei der Behandlung des Themas wird heute oft ausser acht gelassen, dass die Enteignung von Bacardi
vor 42 Jahren mit internationalem Recht durchaus in Einklang stand. Nach dem Gesetz 851 schuf die
Regierung die Möglichkeit, Schlüsselbereiche zu verstaatlichen. Die Zuckerindustrie samt verarbeitenden
Zweigen stellt auf Kuba bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts den grössten Komplex. Unzählige
andere Unternehmen aus den USA, Kanada oder Europa machten von ihrem im Gesetz enthaltenen Recht
Gebrauch und liessen sich entschädigen. Schon deshalb kann von Enteignung, wie von Bacardi bis heute
behauptet, keine Rede sein. Die Regierung hatte für diese Entschädigung nach 1959 bei der Nationalbank
trotz der massiven Kapitalflucht spezielle Fonds schaffen lassen.
Zu sehr aber hatte sich der mächtige Konzern auf Kuba schon daran gewöhnt, die Fäden hinter der
politischen Bühne zu ziehen. Der Einfluss ging soweit, dass die US-Regierung Batista kurz vor seinem
Sturz zum freiwillien Rücktritt aufforderte und eine Liste mit Namen für eine Übergangsregierung
vorlegte. Darauf stand auch der Name des Vorstandsvorsitzenden von Bacardi, Bosch. Seither hat sich
auf Basis dieser gewachsenen Beziehungen eine Troika gebildet, die heute hauptsächlich für den
militärischen oder wirtschaftlichen Terror gegen Kuba verantwortlich zeichnet: der Konzern Bacardi,
die ultrarechten Organisationen des kubanischen Exils in Miami und die US-Regierung in Washington.
Ospina zeichnet die Entstehungsgeschichte dieser Strukturen detailliert nach und beschreibt, wie die
CIA das Machtgeflecht in den siebziger und achtziger Jahren verstärkt nutzte, um ihre Feldzuege gegen
progressive Kraefte in ganz Lateinamerika zu fuehren. Das war ein so lukratives Geschaeft, dass die
zahlenmässig verschwindend kleine kubanische Gemeinde in den USA heute 15 Prozent der Wahlkampffonds
stellt. So erklärt sich denn auch ihr nach wie vor immenser politischer Einfluss.
Das nun in Deutschland erhältliche Buch des Kolumbianers Ospina zeigt auf eindrucksvolle Weise,
dass internationaler Terrorismus vor allem auf wirtschaftlichen Strukturen basiert. Klar ist dabei
auch, dass multinationale Konzerne den sogenannten Kampf gegen den Terrorismus Washingtons nicht zu
fürchten brauchen. Ganz im Gegenteil.
Junge Welt, 25.09.2002
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